OMV-Vorstand Auli: Weil flüssiges Gas dorthin fließen kann, wo jeweils höhere Preise bezahlt werden, bleiben Pipelines wie das geplante Nabucco-Projekt zentral für Europa.

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Standard: Die OMV verdient mit dem Transport und Verkauf von Erdgas eine Menge Geld. Von welchem Verbrauch gehen Sie in den nächsten zehn bis 20 Jahren in Europa aus?

Werner Auli: Der Verbrauch in den Ländern der EU-25 lag 2006 bei 500 Mrd. m3. Konservative Schätzungen besagen, dass wir bis 2030 auf 800 Mrd. m3 zugehen. Selbst wenn es nur 700 Mrd. m3 werden sollten, wäre das enorm.

Standard: Was sind die Treiber dieser Entwicklung?

Auli: Zum einen ist es die Tatsache, dass Erdgas der sauberste Kohlenwasserstoff ist und über Pipelines unter der Erde vergleichsweise einfach transportiert werden kann. Außerdem wird Erdgas immer mehr zur Stromerzeugung eingesetzt. Das heizt die Nachfrage natürlich zusätzlich an.

Standard: Nun raten aber Klimaexperten immer eindringlicher, den Verbrauch fossiler Brennstoffe einzuschränken. Kann man das ignorieren?

Auli: Das tun wir nicht. Wir haben ja auch einen Fonds für alternative Energieprojekte eingerichtet. Es ist aber so, dass die fossilen Brennstoffe nun einmal das Rückgrat der Energieversorgung sind - plus Kohle und Atomkraft. Ich weiß nicht, ob sich das alles so leicht substituieren lässt. Ich persönlich bin skeptisch, was das betrifft, aber wir unterstützen jeden Versuch in diese Richtung.

Standard: Zynisch könnte man sagen, je wärmer es wird, umso weniger Gas benötigt man zum Heizen. Die Verbrauchsprognosen könnten ja falsch sein?

Auli: Ich persönlich glaube nicht, dass sich die Nachfrage abschwächen wird.

Standard: Ein Eckpfeiler der OMV-Versorgungsstrategie ist das Nabucco-Projekt einer Rohrleitung von der Osttürkei über den Balkan nach Österreich und darüber hinaus. Kommt diese Pipeline nun fix?

Auli: Wir sind überzeugt, dass die Pipeline gebaut wird, weil es Sinn macht. In der kaspischen Region mit dem angrenzenden Iran gibt es so viel Erdgas wie sonst nirgends. Außerdem könnte Gas aus Nordafrika über bestehende Pipelines in die Nabucco eingespeist werden. Der Weg dorthin ist aber steinig. Es geht um sehr viel Geld - rund 4,6 Mrd. Euro. Viele Interessen sind unter einen Hut zu bringen. Nabucco ist nicht mehr allein unser Projekt, das hat eine europäische Dimension. Wir werden alles daran setzen, zusammen mit den anderen Konsortialpartnern noch heuer die Investitionsentscheidung zu treffen.

Standard: Sie beharren darauf, Teile der Leitungskapazität selbst nutzen zu können?

Auli: Bis zu 50 Prozent wollen wir für uns und die Nabucco- Partner reservieren. Es kann nicht sein, dass wir die ganze Arbeit machen, das volle Risiko tragen und am Ende keine Kapazitäten haben. Wir brauchen aber auch eine Garantie, dass das eingesetzte Geld zurückverdient werden kann. Ohne diese Sicherheit machen die Banken kein Geld locker. Das sieht inzwischen aber auch Brüssel so.

Standard: Geht sich der vorgesehene Fertigstellungstermin 2011 aus?

Auli: Wenn im kommenden Jahr mit dem Bau begonnen wird, könnten wir es schaffen. Eine Verzögerungsgefahr sehe ich eher auf der Beschaffungsseite. Wir brauchen immerhin 2,5 Mio. Tonnen Stahl für die Pipeline. Stahl ist derzeit aber sehr gesucht, da könnte es Probleme geben. Es spielt aber keine Rolle, sollte das erste Gas erst 2012 fließen. Ab 2018 oder 2019 sollten bis zu 31 Mrd. m3 Gas durchgeschleust werden können.

Standard: Neben den nationalen Gasgesellschaften der Türkei, Bulgariens, Rumäniens und Ungarns wollen Sie noch einen zusätzlichen Partner hereinnehmen. Die französische Total?

Auli: Die Sache ist noch nicht entschieden. Es gibt eine Shortlist, die großen Europäer sind dabei. Das Auswahlverfahren wird in den nächsten Monaten abgeschlossen.

Standard: Streben Sie bei den Gaslieferverträgen über die Nabucco wie gehabt eine Bindung des Gas- an den Ölpreis an?

Auli: Es gibt derzeit nichts Besseres. Europa ist bisher sehr gut damit gefahren. Länder ohne diese Bindung wie USA oder Großbritannien haben deutlich höhere Gaspreise.

Standard: Welche Rolle wird verflüssigtes Erdgas in Zukunft spielen?

Auli: Man rechnet damit, dass der Anteil von LNG (Liquified Natural Gas) in Europa von derzeit fünf auf knapp 20 Prozent steigt. Man darf aber nicht vergessen: LNG ist völlig flexibel. Das hat man im vergangenen Winter gesehen. Wenn der Preis in Amerika höher ist, fahren die Schiffe nach Amerika. Wenn in Asien mehr verdient werden kann, fahren sie dorthin. So gesehen ist LNG zwar eine nette Ergänzung, bietet aber nicht die Sicherheit in der Versorgung, die sich Europa vorstellt.

Standard: Und Ihr Projekt eines LNG-Terminals vor der Küste Kroatiens?

Auli: Da werden wir heuer die endgültige Partnerstruktur fixieren und wollen 2008 mit dem Bau beginnen. 2011 sollten dann die ersten Schiffe anlegen und Gas anlanden.

ZUR PERSON:

Werner Auli (46) ist seit 1. Jänner 2006 im Vorstand der OMV für das Gasgeschäft zuständig. Im Mineralölkonzern ist der gebürtige Wiener seit 1987 tätig, zuletzt als Vorsitzender der Geschäftsführung der OMV Gas GmbH. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.2.2007)