Der Sport spielt in der offiziellen Regierungspolitik kaum eine Rolle, sieht man einmal von protokollarischen Anlässen wie der Verabschiedung eines Olympiateams ab. In der Entwicklung des nationalen Selbstverständnisses hingegen wirkt der Sport mittlerweile wahrscheinlich stärker als die zum Teil auf Formen und Inhalte aus der Monarchie zurückgreifende "klassische" Kulturmaschine von Philharmonikern bis Burgtheater. Die Kultur bildete 1945 nicht zuletzt zur Absetzung gegen die Deutschen den Österreichern und den Alliierten ein willkommenes Instrument. Und als Wolfgang Schüssel den EU-Vorsitz verwaltete, schaltete er Mozart zu, um Österreichs Belanglosigkeit in der EU zu überspielen.

Der Sport hat sich im Alltag des Veröffentlichungsdiskurses jedoch als breitenwirksameres Thema herausgestellt, um den Kleinstaat größer erscheinen zu lassen, als er in Wirklichkeit ist. Die abgelaufene alpine Ski-Weltmeisterschaft in Schweden war in dieser Hinsicht ergiebig. Wenige Goldene, aber viel Anlass zu Selbstlob und Selbstmitleid.

Die Politik überlässt diese gesellschaftliche Gestaltungsmöglichkeit der veröffentlichten Meinung und erweist sich damit als den Anforderungen der heutigen Zeit in dieser Hinsicht als durchaus nicht gewachsen. Die Österreicher zeigen einer internationalen Umfrage zufolge das größte Nationalbewusstsein, tatsächlich noch vor den in dieser Hinsicht oft als chauvinistisch gescholtenen US-Amerikanern.

Und so manche sportlich sich stylenden Polit-Opportunisten profitieren davon. Dem nationalistisch-autoritären Subtext in Österreich wird so lange nicht beizukommen sein, als der Sport (wie die Kultur) nicht als Weg zu einer modernen Identität beschrieben, sondern als Schutzhäuschen der Kleinstaaterei genutzt wird. (DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 19. Februar 2007, Johann Skocek)