Jerusalem - Die Einschätzung des israelischen Militärgeheimdienstes, dass die Kapazitäten der schiitischen Hisbollah-Miliz jetzt stärker wären als vor der israelischen Libanon-Offensive vor einem halben Jahr, bringt Verteidigungsminister Amir Peretz weiter in Bedrängnis. General Yossi Baidatz hat am Montag vor dem außen- und verteidigungspolitischen Ausschuss des Parlaments in Jerusalem nach Angaben von Teilnehmern der nichtöffentlichen Sitzung erklärt: "Die Hisbollah hat mehr Feuerkraft aufgebaut, als sie vor dem Krieg hatte". Peretz nahm anschließend vor dem Ausschuss zu dem Bericht von Baidatz Stellung und plädierte für eine "nuanciertere Diagnose", wie die israelischen Medien am Dienstag berichteten.

Oppositionspolitiker haben Peretz wegen des Libanon-Debakels aufgefordert, dem Beispiel des zurückgetretenen Generalstabschefs Dan Halutz zu folgen und sein Regierungsamt unverzüglich niederzulegen. Der Infrastrukturminister und frühere Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer hatte Halutz zum Hauptverantwortlichen der fehlgeschlagenen 34-tägigen Libanon-Offensive vom Juli und August 2006 erklärt. Es war der israelischen Armee nicht gelungen, ihre Ziele zu erreichen: die Befreiung zweier entführter Soldaten und die Zerschlagung der vom Iran und von Syrien unterstützten Hisbollah. Ben-Eliezer hält nun einen neuen Waffengang gegen die Hisbollah noch im laufenden Jahr für unumgänglich. Israel müsse sich auf einen weiteren bewaffneten Konflikt an seiner nördlichen Grenze vorbereiten, sagte er im Militärrundfunk.

Die UNO-Stabilisierungstruppen UNIFIL haben nach den Worten ihres scheidenden Oberkommandierenden, des französischen Generals Alain Pellegrini, derzeit keine Hinweise auf eine militärische Präsenz der Hisbollah im südlichen Teil des Landes entlang der Grenze zu Israel. Als politischer Faktor jedoch spiele die Hisbollah eine vorrangige Rolle, denn sie stelle zahlreiche Bürgermeister sowie Parlamentsabgeordnete, hatte Pellegrini vor Übergabe des UNIFIL-Kommandos an seinen Nachfolger, den italienischen General Claudio Graziano, erklärt. (APA/AFP)