Prinzipiell, sagt der gewandte Weltreisende, der vom Ruhm des österreichischen Sports schon aus aller Herren Länder gekündet hat, prinzipiell ist die Freundlichkeit der Leute hier, dieses ständige Lächeln, diese ständige Verbeugung, nur Maske. Dahinter verbirgt sich eine Reserviertheit, die schnell in Arroganz umschlagen kann, behauptet er. Hat man sich aus ihrer Sicht irgendwie daneben benommen, sagt er, wirken sie zwar noch immer freundlich, lächeln sie zwar weiter, ignorieren dich aber, wenn irgend möglich, und denken sich wohl ihren Teil. Dummer Ausländer vielleicht. Stur sind sie sowieso und so etwas von unflexibel.

Na bumm, denkt sich da der weniger Weltgewandte, der zum ersten Mal in Japan ist und noch zwei Wochen bleiben soll. So lange umzingelt von arroganter Freundlichkeit, von lächelnder Verlogenheit! Und er lauert, versucht hinter die Maske zu blicken, hinter das Lächeln. Verachtet dich der Zollbeamte? Lächeln tut er jedenfalls echt verdächtig. Desgleichen die Dame am Info-Schalter. Lächelt, verbeugt sich, versucht dir zu sagen, was du wissen willst. So gut das eben geht, mit Händen, Füßen und Englisch, verbirgt die Verachtung für den unbeholfenen Ausländer geschickt, spielt sogar die Verständnisvolle, weil man sie nicht gleich versteht.

Und so geht es weiter, in Geschäften, im Sushi-Laden, auf der Straße, wenn nach dem Weg gefragt wird - ein sicherlich ganz falsches Lächeln nach dem anderen, verlogene Hilfsbereitschaft ohne Ende, Reserviertheit, die sich in Zuvorkommenheit äußert, Arroganz, die so freundlich daherkommt, dass man sich zwingen muss, sich nicht sofort wohlzufühlen unter all diesen freundlichen Menschen. Nein, es ist kein Glück, wenn einem schon vor den ersten Eindrücken die Augen geöffnet werden von einem, der sich auszukennen vorgibt. Da schaut man doch lieber selbst, was man zu erzählen hat, vielleicht einem, der nicht so weltgewandt ist, aber auch nicht gewarnt sein will. (lü - DER STANDARD PRINTAUSGABE 21.2. 2007)