Wien - Beschwerlich ist der Weg hinauf, doch oben angelangt, wird es auch nicht gerade leichter; Tenöre können auch darüber Arien singen. Weltweiter Zuspruch bedeutet ja auch, dass eine falsche Note, ein "Buh!" oder irgendwie Auffälliges gleich als Eilmeldung global die Runde macht. Solches kann nervlich anspannen. Roberto Alagnas Abgang während einer Aida- Vorstellung an der Scala (es gab Buhs) hat diesem - ob gute oder schlechte, das wäre zu analysieren - Publizität eingebracht, mehr als all seine bisherigen tenoralen Taten.

Solche Geschichten sind allerdings nicht unpraktisch auch für andere Häuser, etwa die Staatsoper, wo Alagna bald als Netrebko-Partner in der Manon-Premiere mitwirken wird. Schließlich dürfte er nach der Eskapade bemüht sein, daran zu erinnern, dass er an sich, wenn erforderlich, gerne bis zum Opernende auf der Bühne bleibt.

Diese Verlässlichkeit wäre nicht übel für das Haus am Ring, denn die momentane tenoraler Wien-Versammlung hat die Nerven vieler bereits ausreichend strapaziert. Beim Liebestrank der Vorwoche sagte der maltesische Tenor Joseph Calleja ab; nun am Montag kurzfristig Rolando Villazon für die Bohème (Dr. Kürsten hatte dies empfohlen). Doch lustig: Es sprang ausgerechnet Calleja ein, was zusätzlich pikant ist, da Villazon nun bei Universal auch als großer Netrebko-CD-Partner gepusht wird, während Calleja für dieselbe Firma keine Priorität mehr hat.

Warum, ist nach der Vorstellung jedoch schwer zu sagen. Calleja verfügt über ein altmodisches, aber bezirzendes Timbre. Das gewisse Etwas ist da - es überlebt auch bei dieser turbulenten, weil von unvermeidlicher Spontaneität getragenen Vorstellung. Als Rodolfo bringt er die wesentlichen hohen Passagen effektvoll und kultiviert über die Rampe. In der Tiefe ist er jedoch oft nicht vorhanden; dynamische Flexibilität und Legatokultur sind wohl Opfer der Bedingungen, auch eilt er dem Orchester gerne ein bisschen davon.

Die Stimme jedoch verfügt über beträchtliche Größe, kann sich auch gegen ein Orchester durchsetzen, das von Claude Schnitzler zur Glanzlosigkeit animiert wurde, doch just in für Sänger wichtigen Augenblicken mit unhöflicher Lautstärke zweifelhaft glänzte. Unter diesen Bedingungen litt auch die Performance der soliden Tamar Iveri (als Mimi); weniger die schrill tönende Ildiko Raimondi (als Musette), Boaz Daniel (als Marcello) wie auch das restliche solide Ensemble. Dass Villazon die restliche Vorstellungen singt, ist übrigens nicht ausgeschlossen. (Ljubisa Tosic/ DER STANDARD, Printausgabe, 21.02.2007)