ACHTUNG
Die für Donnerstag 22.2. geplante Lesung im Konzerthaus aus Original-Rowohlt-Übersetzungen muss aus gesundheitlichen Gründen Rowohlts auf 11. Juni 2007 verschoben werden. Die Karten behalten ihre Gültigkeit. (red)

Foto: STANDARD/Rudolf Semotan
STANDARD: Umberto Eco schrieb ein Buch über das Übersetzen, dessen neue Übersetzung heißt "Quasi dasselbe mit anderen Worten".

Rowohlt: Ich habe Umberto Eco im Gmoakeller in Wien kennen gelernt, er war es zwar nicht persönlich, aber er sah so aus und wir haben so getan, als wäre er es. Und die promigeilen Wienerinnen haben sich sofort auf ihn gestürzt.

STANDARD: Eco, der echte, leitet sein Buch mit einigen Fragen über das Übersetzen ein, darunter: Kann der Übersetzer das Original verbessern?

Rowohlt: Dürfte er eigentlich nicht. Ich habe drei Bücher von David Sedaris übersetzt, und ich hasse es, Leute zu übersetzen, deren Englisch schlechter ist, als mein Deutsch, aber Sedaris' Englisch ist sogar schlechter als mein Englisch, was man der Übersetzung natürlich leider nicht mehr anmerkt, insofern ist sie nicht werktreu. Man kann zwar einen guten Witz, den man schlecht erzählt bekommen hat, besser weitererzählen, aber bei Übersetzungen geht das nicht.

STANDARD: Eine weitere Frage von Eco war, ob es unübersetzbare Literatur gibt.

Rowohlt: Finnegans Wake. Das hat Joyce wohl so angelegt, dass man es nicht verstehen soll - und ein Übersetzer muss erst verstanden haben, bevor er übersetzen kann - und da sind gemeine Kalauer drin.

STANDARD: Da müsste man Kompromisse entweder auf Kosten der Originalsätze oder der Wirkung machen - sind Sie näher beim Autor oder Leser?

Rowohlt: Beim Autor. Und je näher der beim Leser ist, desto näher bin ich ihm. Deshalb übersetze ich keine Frauen. Weil der Übersetzer dem Originalautor möglichst wesensverwandt sein sollte. Außerdem sind etwa 80 Prozent aller Autoren Männer und 90 Prozent aller Übersetzer Frauen. Wenn also eine Frau ein Buch geschrieben hat, sollte sich auch eine Kollegin für die Übersetzung finden.

STANDARD: Sie haben viel in Kleinstädten gelesen, weshalb?

Rowohlt: Ich hatte keine Lust, mir ständig neue Sachen einfallen zu lassen, also bin ich in lauter Kaffs gefahren, in denen ich noch nie war. Inzwischen hat sich das aber gegeben. Ich lese aber nie vor Kindern, deren Aufmerksamkeitsspanne ist zwar genauso lange wie die von Erwachsenen, nämlich drei Minuten, sie zeigen es aber deutlicher, wenn die abgelaufen sind.

STANDARD: Sie bringen Kinder dann schnell zum Schweigen.

Rowohlt: Ja, wenn die plärren! Das Vorlesen ist nicht die Kunst, sondern das Zuhören.

STANDARD: Zurück zum Übersetzen: Welche Rolle spielt der Gefallen, den Sie an einem Buch finden, für die Arbeit daran?

Rowohlt: Mit Der Wind in den Weiden von Kenneth Grahame ist mir etwas Seltsames geschehen, was ich mir nicht erklären kann. Deutsch ist eine sehr viel längere Sprache als Englisch, Übersetzungen sind also ein Stück länger, aber meine ist kürzer als das Original - obwohl nichts fehlt. Das lag daran, dass ich damals das Buch überhaupt nicht leiden konnte und jedes Kapitel drei- bis viermal neu übersetzt habe. Eine schöne Schule war auch das Übersetzen von Comics, weil man sich kurz fassen muss, um nicht die Sprechblasen zu sprengen.

STANDARD: Woran halten Sie sich bei der belletristischen Übersetzung?

Rowohlt: Theoretisches Rüstzeug ist, wenn es denn überhaupt existiert, sehr fadenscheinig. Das Wichtigste ist sowieso: was man nicht weiß, nachschlagen, und was man nicht findet, fragen. Und wenn der Autor noch lebt, hat man natürlich besonderes Glück.

STANDARD: Wie wichtig ist Ihnen der Kontakt zum Autor?

Rowohlt: Frank McCourt war neulich in Hamburg und hat liebenswürdigerweise vor Publikum gelogen, mit Die Asche meiner Mutter wäre er heute noch nicht fertig, wenn nicht auf der anderen Seite des Atlantik sein alter Kumpel Harry gesessen und ihm gedroht hätte. Mit dem bin ich richtig befreundet.

STANDARD: Wenn es den Kontakt zum Autor nicht gibt, wie weit darf Interpretation gehen?

Rowohlt: Ich habe neulich ein Buch abgelehnt, weil ich es nicht verstanden habe. Dann schreibe ich lieber wieder selbst, das geht schneller, macht nicht so viel Arbeit und man ist nur sich selbst und dem Schöpfer verantwortlich - und man selbst verzeiht sich ganz leicht, und als Agnostiker komme ich mit dem Schöpfer dann auch ganz gut zurecht.

STANDARD: Und man erhält als Autor wohl mehr Beachtung denn als Übersetzer.

Rowohlt: In der DDR waren Übersetzer mit einem unglaublichen Status bedacht, das war eben ein Fenster zur Welt. Der Status heute ist natürlich schade. Und leben kann man davon auch nicht, deshalb mache ich auch so viele anderen Sachen, um mir das Übersetzen als Gentleman's Hobby zu finanzieren.

Aber das stand schon in meinem allerersten Schulzeugnis: "Harry ist gelegentlich abgelenkt und treibt Nebendinge." (Isabella Hager/ DER STANDARD, Printausgabe, 21.02.2007)