Der Patient, dem am Mittwoch der Brustkorb aufgesägt und dessen Herz zum Ersatz seiner Pumpleistung und der Lungenfunktion für etwa 60 bis 90 Minuten an eine Maschine angeschlossen werden wird, um in von Lupenbrillen unterstützter Feinarbeit wahrscheinlich drei Bypasse angenäht zu bekommen, durchlitt in den letzten Tagen einige der schlimmsten Momente seines Lebens: Ihn quälte nämlich schlicht die Frage, ob er am Ende dieser Woche noch am Leben sein wird oder nicht ... Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, an dieser Operation zu sterben nur etwa drei Prozent beträgt, so nahm für ihn diese Sorge einen zentralen Stellenwert ein und keine Instanz der Welt konnte Herrn Elsner vom klammen Gefühl befreien, vielleicht doch zu den ominösen drei Prozent verdammt zu sein. Was in dem Operationskandidaten vorging, weiß nur er und darum ist er wahrlich nicht zu beneiden. Anspruch auf ein Quäntchen humaner Rücksicht könnte man aber auch einer Person zugestehen, wenn sie Marcel Elsner heißt.

Vor dem Hintergrund einer solchen existenziellen Grenzsituation einem medialen Trommelfeuer ausgesetzt zu sein, sowie angesichts ernsthafter Überlegungen, ihn auch während der Operation durch die Justiz überwachen zu wollen, sich auf den Operationstisch legen zu müssen, um einen keineswegs ungefährlichen Eingriff samt konsekutiver Rehabilitation wegzustecken, sollte in einem denkbaren späteren Urteilsspruch als strafmindernd in Betracht gezogen werden.

Ich für meinen Teil wünsche dem mir unbekannten Patienten ein optimales Gelingen des Eingriffs sowie ein am Aschermittwoch bestens konditioniertes Operationsteam, und last, but not least hoffe ich, dass für Herrn Elsner trotz dieses Megastresses der optimale Operationszeitpunkt gewählt wurde. Auch er hätte Anspruch auf jene Rahmenbedingungen, die für eine erfolgreiche Operation dieses Kalibers wünschenswert, ja fast unverzichtbar sind. (Manfred Deutsch/DER STANDARD, Printausgabe, 21.2.2007)