Schwerer Justizirrtum in Ungarn: Wegen des blutigen Bankraubs in Mór, bei dem acht Menschen erschossen worden sind, saßen zwei Schuldlose jahrelang in Haft. Eine neue Spur führte zu zwei anderen Verdächtigen, die teilweise geständig sind.

Wegen eines der furchtbarsten Verbrechen in der ungarischen Kriminalgeschichte sitzen seit Jahren die zwei falschen Männer im Gefängnis. Wie die ungarische Polizei nun einräumen musste, war der Banküberfall in der westungarischen Ortschaft Mór, bei dem im Mai 2002 acht Menschen umgebracht worden waren, von zwei anderen mutmaßlichen Tätern begangen worden. Auf das blutige Rekordverbrechen folgte einer der peinlichsten Justizirrtümer der jüngeren ungarischen Geschichte.

Die neuen Täter, László N. und Róbert W., hätten inzwischen ihre Anwesenheit bei dem Überfall eingestanden und leugneten bisher lediglich, die acht Bankangestellten und Kunden kaltblütig erschossen zu haben, erklärte Zoltán Bolcsik, der Chef des Nationalen Ermittlungsbüros (NNI) vor der Presse. Inzwischen sei in der Wohnung von László N. auch die Tatwaffe, eine Maschinenpistole vom Typ Skorpion, sichergestellt worden. Auch die Fingerabdrücke darauf erwiesen sich als identisch mit denen, die von den Räubern in der Bank hinterlassen worden waren. Bei dem Überfall auf die Erste-Bank-Filiale in Mór hatten die Täter nur einen relativ geringen Betrag erbeutet, nämlich sieben Millionen Forint (knapp 28.000 Euro). Bei den Opfern der beispiellosen Tat handelte es sich um Angestellte, den Sicherheitsbeamten, einen Versicherungsagenten und ein junges Ehepaar als Bankkunden. Nach dem Überfall hatten Experten das veraltete Sicherheitssystem der Bankfiliale kritisiert.

Neues Verfahren

Für die Tat schmoren bisher zwei andere Männer im Zuchthaus. Ede Kaiser war im Dezember 2004 zu lebenslanger Haft, sein angeblicher Komplize László Hajdú zu 15 Jahren verurteilt worden. In zweiter Instanz wurde das Urteil gegen Kaiser bestätigt, gegen Hajdú wurde ein neues Verfahren eingeleitet. Beide Männer, die mehrfach vorbestraft sind, hatten bis zuletzt jede Schuld an dem Massaker von Mór bestritten. Wie sich nun herausstellte, konnte nachgewiesen werden, dass beide zur Tatzeit nicht einmal in der Nähe der überfallenen Bank waren. Auf die neuen mutmaßlichen Täter stießen die Ermittler eher zufällig. László N. geriet wegen des Verdachts, einen Geldbriefträger ermordet zu haben, in ihr Visier. Von N. führte die Spur zu W., der bei der Einvernahme offenbar aus Geltungsdrang erzählte, in Mór dabei gewesen zu sein. Tatsächlich war der Prozess gegen Kaiser und Hajdú von zahlreichen Ungereimtheiten begleitet gewesen. Es hatte keine Tatwaffe gegeben. Zeugen konnten sich nur unscharf an die Täter erinnern. Beide Männer waren schließlich wegen vermeintlicher Komplizenschaft verurteilt worden, weil keinem von ihnen die Todesschüsse nachzuweisen waren. Anklage und Gericht hatten deswegen mit der gewagten These operiert, dass diese von einem dritten, unbekannten Täter abgefeuert worden wären. Es war, als hätte es um jeden Preis eine Verurteilung geben müssen, um die Gemüter nach dem Blutbad zu beruhigen.

"Nützlich" war dabei auch, dass die beiden Gewohnheitsverbrecher parallel dazu wegen anderer, erwiesener bewaffneter Raubüberfälle verurteilt worden war – gemordet hatten sie aber bei diesen Verbrechen nicht. Gregor Mayer aus Budapest/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.2. 2007)