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Tiger Woods denkt jeden Tag, bei jedem Abschlag an seinen Vater, der im Vorjahr verstarb. "Alles, was ich über Golf gelernt habe, habe ich von meinem Dad gelernt."

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Don Ridell interviewte Woods für CNN, der Standard bringt Auszüge vorab und exklusiv.

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Standard: Sie haben zu Saisonbeginn das Buick Invitational in San Diego gewonnen, halten auf der US PGA Tour bei sieben Siegen en suite. Ist Ihnen solche Statistik wichtig?

Woods: Ich denke, so richtig begreife ich das erst später. Wenn du im Golf drin bist und konkurrierst, versuchst du nur, den nächsten Cup zu gewinnen. Du bereitest dich vor, und du denkst erst später über alles nach.

Standard: Byron Nelsons Rekord von elf Turniersiegen in Folge steht seit 1945. Meinen Sie, dass er in Gefahr ist?

Woods: Dieser Rekord ist echt unfassbar. Ich kann nicht sagen, ob er in Gefahr ist oder nicht, aber es ist eines der größten sportlichen Kunststücke überhaupt. Was Nelson vollbracht hat, ist wirklich bewundernswert.

Standard: Ich weiß, dass Sie Perfektionist sind. Gibt es im Moment irgendwelche Schwächen in Ihrem Spiel?

Woods: Es gibt immer Schwächen, ja, und Golf ist nun einmal ein Spiel, das einem ständigen Wandel unterliegt und sich deshalb immer weiter entfaltet. An einem Tag kriegst du den Drive großartig hin und schlägst deine Eisen ganz furchtbar, und am nächsten Tag sieht es komplett anders aus. So ist es nun einmal. Man muss immer an allem dranbleiben und besser werden.

Standard: Letztes Jahr um diese Zeit haben Sie hart daran gearbeitet, Ihren geänderten Abschlag hinzubekommen. Nun scheint es, als würden Sie sich wohler damit fühlen.

Woods: Ja, definitiv. Zum Sommer hin begann ich, mich mit den Veränderungen wohl zu fühlen. Ich war in der Lage, alles zusammenzufügen, als ich draußen auf dem Platz war. Das ist das Schwierigste – dein Spiel anzupassen, während du auf dem Platz stehst und spielst. Ich konnte endlich die Bewegung, die mein Trainer Hank mir vermitteln wollte, nachvollziehen. Und wenn doch etwas schiefging, konnte ich es gleich verbessern.

Standard: Wie groß ist der psychologische Faktor, wenn Tiger Woods den Platz betritt? Haben Sie nicht auch das Gefühl, es ist wieder so, dass die anderen eigentlich nur noch um den zweiten Platz spielen, sobald Sie dabei sind?

Woods: Die Frage müssen die anderen selbst beantworten. Standard: Aber kommt es Ihnen nicht so vor, dass Sie schon mit einem knappen Vorsprung in jede Runde gehen?

Woods: Ich denke, ob ich gewinne oder nicht, hat auch etwas mit Glück zu tun. Ich warte ab, was passiert; ich weiß nicht von vornherein, ob ich gewinnen werde oder nicht. Wissen Sie, Golf ist ein einzigartiger Sport, und man muss immer einen Schritt nach dem anderen machen.

Standard: Sie designen seit Kurzem Golfplätze. Warum haben Sie ausgerechnet Dubai für Ihr erstes Projekt ausgewählt?

Woods: Also, ich habe mich sehr gefreut, die Möglichkeit zu bekommen. Der Hauptgrund war, dass ich dort über die Jahre viele Leute kennen gelernt habe und mich einfach wohl fühle. Sie lassen mich mitten in der Wüste etwas aus dem Nichts erschaffen. Also, man kann da draußen eigentlich machen, was man will. Es wird richtig interessant, etwas zu schaffen, das die Leute anregt, Spaß zu haben und sich herausfordern zu lassen. Standard: Einige Menschen waren überrascht, dass Sie Ihr erstes Projekt nicht in den USA gestartet haben. Hatten Sie das in Betracht gezogen?

Woods: Ja, ohne Zweifel. Aber die einzigartige Gelegenheit, etwas von Grund auf neu zu errichten, hatte ich nun einmal nicht in den USA.

Standard: Sie spielen auf großartigen Golfplätzen weltweit. Haben Sie Augen für die Schönheit dieser Plätze, oder geht es Ihnen nur um den Wettkampf?

Woods: Es kommt darauf an. Wenn ich ein Turnier spiele und im Wettkampf stehe, kümmerte es mich kaum. Ich versuche, den Ball zu Punkt A zu spielen. Ich habe ein Fairway vor mir, ich habe einen Punkt auf dem Grün zu treffen, und ich habe einen Putt zu machen, und das ist alles, was ich sehe. Leute fragen mich, wenn ich Pebble Beach und andere großartige Plätze der Welt spiele, ob ich den Ozean sehe. Nein, das tue ich nicht. Ich sehe nur, wo ich den Ball platzieren muss. Aber in Trainingsrunden nehme ich die Landschaft natürlich wahr.

Standard: Ihre Frau Elin und Sie erwarten heuer ein Kind. Wie aufgeregt sind Sie? Wie stark wird es Ihr Leben beeinflussen, jetzt und in Zukunft?

Woods: Natürlich bin ich total aufgeregt. Das wird wahrscheinlich das Großartigste, was mir je passieren wird. Zum ersten Mal werden wir ein Kind aufziehen. Schon jetzt fragen wir jeden nach Tipps, und jeder gibt uns Ratschläge, was man tun sollte. Natürlich wird es unser Leben dramatisch verändern, aber es ist eine Veränderung, auf die wir uns sehr freuen.

Standard: Denken Sie, dass Sie sportlich kürzer treten werden? Vielleicht verzichten Sie wegen des Geburtstermins im Juli auf die British Open?

Woods: Es kommt alles drauf an. Wir haben so etwas vorher noch nie durchgemacht. Sicherlich, ich werde vermutlich weniger spielen. Es wird sehr interessant werden, wie gut sich mein Training verbinden lässt mit Flascherlgeben, Windelwechseln und so weiter. Ich bin an feste Trainingszeiten, Verpflichtungen bei meinen Sponsoren und Freizeit mit meinen Freunden gewöhnt. Natürlich ändert dies das alles, und man hat weiterhin die gleichen Verpflichtungen, aber meine größte Verantwortung ist die für mein Kind und meine Frau.

Standard: Sie werden nicht mehr die wichtigste Person im Haus sein.

Woods: Das war ich nie.

Standard: Was ist das Wichtigste, das Ihnen Ihr Vater beigebracht hat und Sie gerne an Ihr Kind weitergeben möchten?

Woods: Ich denke, mein Vater hat aus allem immer eine Freude gemacht, aber er hat mir ebenfalls beigebracht, mich zu kümmern und zu teilen. Wenn man sich kümmert, dann teilt man sein Innerstes. Ich hoffe sehr, dass wir unser Kind zu einem fantastischen Bürger erziehen werden.

Standard: Sie waren selbst, könnte man sagen, eine Art Kinderstar. Wäre das etwas, wovor Sie Ihre Kinder gerne beschützen würden?

Woods: Ich weiß nicht. Sie werden entscheiden müssen, ob mein Sport auch ihr Sport ist oder nicht oder ob sie eine ganz andere Richtung einschlagen wollen. Solange sie ihr Leben genießen, soll mir alles recht sein. Unsere Verantwortung ist es, unseren Kindern jede Möglichkeit zu bieten, selbst zu entscheiden.

Standard: Im letzten Jahr ist Ihr Vater Earl gestorben. Wenn Sie bedenken, was Sie durchgemacht haben, wie bewerten Sie dann Ihre Leistungen 2006?

Woods: Sie haben das schon in den richtigen Kontext gesetzt: Das letzte Jahr war als Ganzes ein Jahr des Verlusts. Ich habe mit meinem Vater meinen besten Freund verloren, die Person, die mir am nächsten stand. Aber was Golf angeht, kann ich sagen, dass ich mich verbessert habe. Was das angeht, war das Jahr ein Schritt in die richtige Richtung.

Standard: Hat der Verlust Ihnen geholfen, sich auf Ihr Spiel zu konzentrieren?

Woods: Nein, es war wirklich schwierig, sich auf irgend_etwas zu konzentrieren, weil ich alles, was ich über Golf gelernt habe, von meinem Dad gelernt habe, jedes noch so kleine Detail. Wissen Sie, die meisten Menschen gehen zur Arbeit, um Distanz zu gewinnen. Ich dagegen musste mich dem jeden Tag stellen, wenn ich trainiert oder gespielt habe. Jeden Tag denke ich an meinen Vater, und jedes Mal, wenn ich abschlage, denke ich an meinen Vater. Er hat mir mit dem Golfen gleichzeitig so viel über das Leben beigebracht. Ich hatte sehr viel Glück, dass ich ihn zum Vater hatte.

Standard: Im letzten Jahr habe ich Sie gefragt, was Sie motiviert. Sie sagten, es sei einfach das Rausgehen auf den Rasen, das Abschlagen mit den anderen und der Versuch, die anderen zu besiegen. Sind Jack Nicklaus’ 18 Slam-Titel für Sie ein großer Motivationsfaktor?

Woods: Na ja, das ist natürlich ein Ziel. Das ist ein goldener Maßstab in unserem Sport. Er hat mehr als zwanzig Jahre gebraucht, um das zu erreichen. So etwas passiert nicht in einem kurzen Zeitraum.

Standard: So, wie Sie spielen, könnte es passieren.

Woods: Man muss da realistisch bleiben. Die anderen werden besser, und ich muss auch besser werden. Wenn man also jedes Jahr besser wird und wenn man sich so viele Chancen wie möglich in den Majors gibt, dann kann so etwas klappen. Das hat er besser als alle anderen gemacht: Er hat sich selbst die meisten Chancen gegeben.

Standard: Spulen wir einmal dreißig Jahre vor. Was glauben Sie, wie man sich an Sie erinnern wird? Wie würden Sie gern in Erinnerung bleiben?

Woods: Hmmm. Hoffentlich nicht als Golfspieler. Hoffentlich erinnert man sich an einiges, was ich mit meiner Stiftung und meinen Lernzentren erreicht habe. Daran soll man sich erinnern, nicht nur daran, dass ich Bälle hoch und weit und gezielt schlagen kann.

Standard: Sie haben im vergangenen Jahr Roger Federer kennen gelernt, und man könnte meinen, dass Sie sich gut mit ihm verstehen?

Woods: Ja, sehr gut. Wissen Sie, Roger ist ein fantastischer Kerl, und wir haben tatsächlich viel gemeinsam. Nicht nur weil wir beide Einzelsportler sind, wir bereiten uns auch ähnlich vor und sehen vieles gleich. Ich finde das toll. Man kann viel voneinander lernen. Wir sind einfach sehr gute Freunde, Freunde fürs Leben. (DER STANDARD PRINTAUSGABE 24.2. 2007)

CNN strahlt das Interview mit Tiger Woods am nächsten Samstag (3. März) um 19.30 Uhr aus.