Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA
"ADAM: Hier auf dem Richterstuhl von Huisum sitz ich,
Und lege die Perücke auf den Tisch:
Den, der behauptet, dass sie mein gehört,
Fordr' ich vors Oberlandgericht in Utrecht.
LICHT: Hm! Die Perücke passt euch doch, mein Seel,
Als wär auf Euren Scheiteln sie gewachsen."
(Heinrich von Kleist, "Der zerbrochene Krug")

(Februar 2007. Theater in der Josefstadt. Eine Aufführung des "Zerbrochenen Krugs" im Gange. Otto Schenk als Dorfrichter Adam. Im Zuschauerraum, in der ersten Reihe, der frühere Nationalratspräsident Khol und - im Bild rechts neben ihm - der Obmann des BZÖ Westenthaler. Khol versucht, den Vorgängen auf der Bühne zu folgen, während Westenthaler auf ihn einredet.)

WESTENTHALER: - frag' ich also den Krakow, also was der Staatsanwalt ist, ob er mit dem Justizministerium ständig in Kontakt ist, sagt er, ja, unter anderem mit dem Pöchinger, nicht, dem Pressesprecher von der Gastinger, diesem (Piepton), sag' ich, soso, und werden Sie bei irgendeinem von den Angeklagten auf Strafmilderung plädieren, beim Flöttl zum Beispiel, sagt er, nein, das gingert gar nicht, auch wenn das manche gern sehen täten, sag' ich, aha, das ist ja interessant, und wer tät' das gern sehen, und weißt du, was er sagt? Weißt du, was dieser (Piepton) sagt? Der Haider und ich! Ist das nicht unglaublich? Ich mein', ich bemüh' mich um -

KHOL: Bitte, Peter, ich möchte das Stück sehen.

WESTENTHALER (nachdem er kurz die Vorgänge auf der Bühne verfolgt hat): Geh, das ist doch lächerlich! Ein zerbrochener Krug! Peanuts! Und die Krimihandlung ist mehr als durchsichtig. Das war die Alte, diese Dings, diese Marthe, wetten?

KHOL: Die war's definitiv nicht.

WESTENTHALER: Woher willst du das wissen?

KHOL: Ich sehe das Stück zum elften oder zwölften Mal.

WESTENTHALER (entgeistert): Bist du teppert? Wenn du eh weißt, wie's ausgeht?

KHOL: Das ist kein "Tatort". Das ist Weltliteratur. Da geht es um Sprache. Um Interpretation. Um Schauspielkunst.

WESTENTHALER (lauter und in wachsendem Sprechtempo): Um genau das geht's bei mir auch! Nur dass das ein bisschen wichtiger ist als dieser Krugscheiß! Weil da geht's um meine Zukunft, ja? Da geht's um Österreich, ja? Die ganze Sache ist nämlich nix anderes als ein persönlicher Racheakt vom Pöchinger und vor allem von der Gastinger, von dieser (Piepton)!

KHOL: Bitte, Peter, mäßige dich!

WESTENTHALER: Einen Dreck werd' ich! (Piepton), (Piepton) und noch einmal (Piepton)! Sie hat nämlich in Wirklichkeit gar nie behauptet, dass ich interveniert hätt', sondern sie hat nur gesagt, sie hätt' den Eindruck einer Intervention gehabt, weil blöd ist sie ja nicht, diese -

KHOL: Sag' es nicht!

WESTENTHALER (sich immer mehr in Rage redend): Blöd ist sie nicht, sie weiß genau, wenn ich hätt' intervenieren wollen, hätt' sie mich sofort müssen anzeigen, sonst hätt' sie sich strafbar gemacht, verstehst du? In den Häfen wär' sie gegangen, wenn ich interveniert hätt', so ist es nämlich, schon deswegen kann ich unmöglich interveniert haben!

Und wenn jetzt dieser Stadler daherkommt, dieser (Piepton) -

SCHENK (in seiner Rolle, aber lauter als nötig): Hund, jetzt, verfluchter, schweig, / soll hier die Faust den Rachen dir nicht stopfen!

WESTENTHALER (springt wutentbrannt auf. In Richtung Schenk): Sag das noch einmal, du -

KHOL (drückt ihn wieder auf seinen Sitz): Bitte, Peter, das gehört zum Stück! (Zugleich mit Schenk): Nachher ist Zeit für dich, nicht jetzt.

(Westenthaler beruhigt sich und verfolgt einige Zeit schweigend die Vorgänge auf der Bühne.)

WESTENTHALER (flüsternd, zu Khol): Also, wenn es die Alte nicht war, wer war's dann?

KHOL: Der Richter selbst.

WESTENTHALER: Der Richter selbst ... Eh klar ... Richter ... Beim Verfassungsgerichtshof wahrscheinlich ... Saftladen ...

(Vorhang) (Antonio Fian/ DER STANDARD, Printausgabe 24./25.2.2007)