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Foto: AP/Koji Sasahara
Von den 8760 Stunden des Jahres verpennt der Mensch 2920. Am Ende seines Daseins wird er feststellen, dass er 24 Jahre verschlafen hat. Falls er schlafen kann.

Schlaf und Stoffwechsel

Ist von Fettsucht oder Diabetes die Rede, wird wohl auch über Schlafstörungen diskutiert: Nachdem Studien aufgezeigt hatten, wie tief der Schlaf in den Stoffwechsel eingreift, ernannten international renommierte Magazine wie Time und Nature die Schlafforschung zu einem der wichtigsten Fachbereiche in der Psychiatrie - auch wenn die Schlafmedizin in Österreich nicht als eigenes Fach anerkannt ist, es dementsprechend auch keine spezielle Ausbildung gibt.

Interdisziplinäres Schlaflabor

So ist der Zugang zu den 21 zertifizierten Schlaflabors in Österreich, die exakte Diagnose und entsprechend auch effiziente Behandlung anbieten, ein interdisziplinärer, so wie auch Schlafstörungen sich multiorganisch auswirken.

Schlafmangel führe schon nach kurzer Zeit dazu, dass der Körper Glukose schlechter verwerten kann, erklärt Birgit Högl, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM), dem Standard: "Das kann zu Diabetes führen." Epidemiologische Studien würden einen solchen Zusammenhang belegen, warnt die Schlafforscherin an der Uniklinik Innsbruck.

Schlafstörungen und Fettsucht

Andere Studien, ergänzt der Präsident der European Sleep Research Society (ESRS), Thomas Pollmächer vom Klinikum Ingolstadt, wiesen auch auf einen "Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Fettsucht" hin: Eine kurze Schlafdauer, auch schon bei Kindern, könne zu einer später auftretenden Adipositas führen. "Unklar bleibt bisher, ob es entscheidend ist, wie diese verkürzte Schlafdauer zustande kommt", sagt Pollmächer dem Standard.

Gestörter Hormonhaushalt

Gesichert ist jedoch, dass der Schlafprozess über Hormone gesteuert wird, Schlafstörungen den Hormonhaushalt durcheinanderbringen. Und wie auch Diabetes hormonell gesteuert wird, zeigen Menschen mit zu wenig Schlaf eine Abnormalität in der Produktion des Hormons Leptin: Das hemmt Hungergefühle und spielt eine Rolle bei der Regulierung des Fettstoffwechsels. Damit schließt sich der Kreis von Schlafstörungen, Diabetes und Adipositas. Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen für Schlafgestörte.

Kein ursächlicher Zusammenhang

Pollmächer sieht zwar eine Zunahme von Schlafstörungen in der Bevölkerung, mit der ebenfalls registrierten Zunahme von Diabetes und Adipositas will er aber - noch - keinen ursächlichen Zusammenhang herstellen. Zu vielfältig seien die Schlafstörungen, von denen 90 bekannt sind. Ihre Auslöser sind zu einem Drittel physiologische Faktoren, beim Rest sind es psychische.

Laut ÖGSM leiden zwei Millionen Menschen in Österreich an Schlafstörungen. Generell seien bis zu 25 Prozent der Bevölkerung betroffen, sagt Högl. Freilich - pathologisch ist es nicht bei allen. Aber bei vielen, präzisiert Pollmächer.

Die Atmung setzt aus

Gut zehn Prozent litten an Ein- und Durchschlafstörungen, so genannten Insomnien. Zwei Drittel davon seien Frauen ab 40. Nächtliche Atemstörungen, vor allem die Apnoe, das Aussetzen der Atmung, betreffe etwa zwei Prozent der Bevölkerung, 70 Prozent davon Männer. Bei motorischen Schlafstörungen sei das Restless-Legs-Syndrom am häufigsten, bis zu vier Prozent der Bevölkerung litten darunter. Schlafwandeln (eine Parasomnie) würden 15 Prozent der Kinder und ein Prozent der Erwachsenen.

REM Schlaf Verhaltensstörungen

REM-Schlaf-Verhaltensstörungen (dabei äußern sich die zu lebhaften Träume in heftigen motorischen Ausbrüchen - in diese Gruppe fallen auch nächtliche Epilepsien, Patienten sind sehr verletzungsgefährdet) seien nicht sehr verbreitet. Hypersomnien hingegen (das sind Erkrankungen mit hoher Müdigkeit am Tag) kämen wieder häufiger vor. Am bekanntesten davon ist Narkolepsie, die zu Schlafattacken am Tag führt: "Ein gewaltiges Risiko auch für andere", konstatiert Högl, "stellen Sie sich vor, das passiert während des Autofahrens."

Gut behandelbar

Obwohl Schlafstörungen nach korrekter Abklärung gut zu behandeln sind, suchen nur etwa 35 Prozent aller Betroffener ärztliche Hilfe. Der Rest flüchtet sich in Selbstmedikation. Pollmächer sieht dabei zwei Gefahren: "Oft sind Schlafstörungen frühe Symptome einer Depression. Selbstmedikation verhindert die richtige Diagnose und verschleppt die Therapie, weil Schlafmittel nicht antidepressiv wirken. Außerdem führt längerfristiger Schlafmittelgebrauch bei den meisten verfügbaren Substanzen zu einer Gewöhnung, zehn Prozent entwickeln eine Abhängigkeit. Kurzfristiger Schlafmittelgebrauch - bis ein, zwei Wochen, in besonderen Lebenssituationen - sollte aber nicht verteufelt werden." (Andreas Feiertag/MEDSTANDARD/26.02.2007)