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Foto: APA/dpa/Schutt

Die verbreitetste Ursache von Schlafstörungen ist weder Stress noch nächtlicher Lärm, berichteten US-Schlafforscher auf einer Konferenz kürzlich im kalifornischen La Jolla, sondern die persönliche Überzeugung, man schlafe zu wenig. Geschürt wird diese Obsession nicht nur von Therapeuten und Pharmazeuten, sondern auch von der Bettenbranche. So wurde und wird geraten, dass Erwachsene acht Stunden Schlaf brauchen. "Das ist aus den Köpfen kaum mehr wegzukriegen", klagt David Dinges, der neben der Weltorganisation der Schlafforschung und -medizin auch die führende Fachzeitschrift Sleep leitet.

Tatsächlich variiert die optimale Schlafdauer. Der eine kommt mit vier oder noch weniger Stunden aus. Die andere ist schlapp, wenn sie weniger als acht Stunden schlummern darf. Eine Langzeitstudie der University of California, San Diego, die die Schlafgewohnheiten von mehr als einer Million Amerikaner erfasste, hat zwar gezeigt, dass Menschen, die berichteten, sechs- bis siebeneinhalb Stunden Schlaf zu benötigen, die höchste Lebenserwartung haben. Doch schon der Unterschied zu jenen, die mindestens viereinhalb Stunden angaben, war kaum der Rede wert, erklärt der Erstautor der Studie Dan Kripke.

Dagegen leben Menschen, die von neun Stunden und mehr Schlaf berichten, ungesünder. Kripke und seine Kollegen warnen vor dem häufig gezogenen Fehlschluss, Ursache und Wirkung zu vertauschen. So sind Vielschläfer häufig von Arbeitslosigkeit, Depression und chronischen Krankheiten betroffen. Und belegt ist dank solcher Populationsstudien auch, dass die meisten ihre Schlafdauer deutlich überschätzen.

Krank macht vielmehr, wenn man seinen Rhythmus nicht findet, sich zum Schlafen zwingt, womöglich Tabletten nimmt. Deren Nebenwirkungen wegen verschreibt sie Mark Dyken von der University of Iowa nahezu ausschließlich Narkoleptikern, also Patienten, die plötzlich einschlafen und sich dadurch, etwa am Steuer eines Autos sitzend, erheblich gefährden.

Überraschende Gefahr

Vielschläfer haben ein fast doppelt so hohes Risiko, in Unfälle verwickelt zu sein wie Durchschnittsschläfer. Wichtiger in diesem Zusammenhang ist aber, betont David Dinges, dass viele Verursacher von Unfällen am konkreten Tag unter Schlafentzug leiden. Und die Wahrscheinlichkeit, nicht ihr persönliches Schlafoptimum zu erhalten, liegt bei Menschen, die viel Schlaf benötigen, eher über dem Durchschnitt.

Weit verbreitet sei auch der Irrglaube, wer tagsüber schläfrig wird, leide notwendigerweise unter Schlafentzug, so David Dinges. Dabei ist gelegentliche Schläfrigkeit - ganz ähnlich wie gelegentliche Hungergefühle - ein gesundes Zeichen. Es kann im Gegenteil stete Munterkeit ein Zeichen sein, dass man mehr schläft, als man braucht.

Gerne gestritten wird auch über Sinn und Unsinn des Mittagsschlafs. Eine griechische Gruppe um Androniki Naska konnte im "Archive of Internal Medicine" erstmals in einer kontrollierten Studie belegen, dass Menschen, die mindestens dreimal pro Woche Siesta halten, ihr Risiko einer Herzerkrankung um etwa ein Drittel senken. Freilich dürfte, wer sich ein Schläfchen leisten kann, auch sonst gesünder leben. Und auch das weiß die Schlafforschung: Wer Mühe hat, einzudösen, um nach zwanzig Minuten von selbst aufzuwachen, lässt es lieber. Eine optimale Schlafdauer gibt es nicht. Der Stress, nicht genügend Schlaf zu bekommen, macht eher krank. (Stefan Löffler/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 2. 2007)