Unter den Toten sind ein US- und ein südkoreanischer Soldat sowie ein ziviler Sicherheitsmitarbeiter der US-Armee. Cheneys Sprecherin Lea Anne McBride sagte, dem Vizepräsidenten gehe es gut. Er hatte auf dem Stützpunkt in Bagram übernachtet. Später traf er mit Karzai in Kabul zu einem Gespräch zusammen, in dem es um die Sicherheitslage im Land und US-Hilfen für Afghanistan ging.
Taliban: Cheney war das Ziel
Ein Sprecher der Taliban bekannte sich zu dem Anschlag und betonte, Cheney selbst sei das Ziel gewesen. Dieser war nach amerikanischen Militärangaben allerdings zu keinem Zeitpunkt gefährdet. "Es ist einer unserer Gotteskrieger, der diesen Selbstmordanschlag verübt hat", sagte Taliban-Sprecher Yussuf Ahmadi am Dienstag in Mitteilungen an die Büros internationaler Nachrichtenagenturen. Cheney, der inzwischen nach Oman weitergereist ist, beschrieb, wie er den Anschlag erlebte: "Um zehn Uhr morgens hörte ich einen lauten Knall". Soldaten hätten ihn in einen Bunker gebracht, bis die Lage sich beruhigt habe.
Die Explosion ereignete sich vor dem ersten Sicherheitstor außerhalb des wichtigsten US-Stützpunkts nördlich von Kabul. Ein kleiner Straßenmarkt vor dem Gelände wurde schwer erschüttert, wie Augenzeugen berichteten. Der Attentäter zündete den Sprengsatz kurz vor dem Abflug Cheneys in die rund 60 Kilometer entfernte Hauptstadt Kabul. Mit der Delegation des US-Vizepräsidenten reisende Journalisten berichteten, sie seien erst auf den Anschlag aufmerksam geworden, als das Militär für etwa 20 Minuten die höchste Alarmstufe für den Stützpunkt ausgerufen habe.
Widersprüchliche Berichte
Über die Zahl der Opfer gab es zunächst widersprüchliche Berichte. Während afghanische Beamte von 20 Toten und etwa einem Dutzend Verletzten sprachen, vermeldete die NATO neben 27 Verletzten den Tod zweier Soldaten der internationalen Truppe sowie eines ziviler Sicherheitsmitarbeiter der US-Armee. Anrainern zufolge kamen überwiegend Lastwagenfahrer und Tagelöhner ums Leben, die vor dem Stützpunkt auf Einlass oder auf Arbeit warteten. Der Attentäter hatte sich darunter gemischt, berichtete ein Polizist vom Anschlagsort. Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP zählte insgesamt 14 Leichen, von denen elf in Särgen aus der Basis getragen wurden.
Der Attentäter habe nicht die geringste Chance gehabt, auf das Gelände zu gelangen, sagte Stützpunktkommandant James E. Bonner. Cheney hatte in Bagram die Nacht verbracht, nachdem starke Schneefälle seine ursprünglich für Montag geplante Weiterreise im Hubschrauber nach Kabul verhindert hatten. Das Treffen mit Karzai war daraufhin auf Dienstag verschoben worden. Cheney kam aus Pakistan, wo er mit Präsident Pervez Musharraf zusammengetroffen war. Die USA drängen Pakistan, den Kampf gegen Rebellen im Grenzgebiet zu Afghanistan zu verstärken.
Sicherheitskräfte infiltriert
Der Anschlag in Bagram zeigt nach Ansicht von Experten, dass die Taliban und das Terrornetzwerk Al Kaida die afghanischen Sicherheitskräfte bereits tief infiltriert haben. Ex-General Talat Masood bezeichnete das Attentat als die in dieser Hinsicht "schockierendste Attacke". Cheneys Besuch in Afghanistan sei unangekündigt gewesen. Der Taliban-Experte und Buchautor Ahmed Rashid nannte den Anschlag einen "sehr provokativen" Akt. Die Taliban hätten auf einen "hochrangigen Besuch" gewartet. Obwohl die Visite Cheneys unter einer hohen Geheimhaltungsstufe vorbereitet worden sei, sei sie in Kabul und Islamabad in bestimmten Kreisen bekannt gewesen.
Die NATO-geführte Afghanistan-Truppe ISAF rüstet sich derzeit gegen die erwartete Frühjahrsoffensive der Taliban-Miliz. Vor allem im Süden des Landes sind die radikal-islamischen Gotteskrieger seit ihrer Entmachtung Ende 2001 wiedererstarkt. Die afghanisch-pakistanische Grenzregion dient ihnen als Rückzugsgebiet. Presseberichten zufolge baut auch Al Kaida seit einiger Zeit neue Stützpunkte im Westen Pakistans auf, in denen Terroristen ausgebildet würden. Die USA und Afghanistan haben Pakistan wiederholt vorgeworfen, den Anti-Terror-Kampf im Grenzgebiet mit zu wenig Nachdruck zu führen und damit die Anschläge der Extremisten in Afghanistan indirekt zu unterstützen.
Selbstmordanschlag in Kandahar
Bei einem weiteren Selbstmordanschlag in der südafghanischen Stadt Kandahar wurden Augenzeugen zufolge mehrere Menschen getötet und verletzt. Mindestens zwei der Toten seien Zivilisten gewesen, berichteten die Zeugen.