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Kein Gesetz, keine Entscheidung gibt darüber Auskunft, was "fair use" bei Telefonie bedeutet.

Foto: AP/Kammerer
Internet-Anbieter haben damit angefangen, die Mobilfunkbranche übernimmt es – das "Fair use"-Prinzip in Bezug auf Freiminuten.

Kein Gesetz, keine Entscheidung gibt darüber Auskunft, was "fair use" bei Telefonie bedeutet. Bis vor Kurzem auch die Mobilfunkbetreiber selber nicht – wiewohl sie sich von ihren Kunden "fair use" erwarten. Möglicherweise erfahren wir demnächst von den Gerichten, was faire User tun und was nicht – der Verein für Konsumenteninformation (VKI) plant nämlich, mehrere Netzbetreiber zu klagen.

Vertragskündigung

Wie berichtet hat One vor Kurzem seinen Kunden des 4:0-Tarifs mit Vertragskündigung gedroht, sollten diese ihr "Telefonieverhalten in den nächsten sieben Tagen nicht drastisch ändern" – zu deren großem Erstaunen, haben sie doch mit dem Tarif das Recht erworben, zu einem frei wählbaren Mobilnetz kostenlos zu telefonieren. Ein Minutenlimit enthält ihr Vertrag zwar nicht, dafür aber den Hinweis auf "fair use": "Im Sinne einer gerechten Benutzung gegenüber anderen Teilnehmern und um die Dienstequalität im One-Netz nicht zu beeinträchtigen, verpflichtet sich der Teilnehmer, keinen unfairen Gebrauch von Sprachtelefonie zu machen", heißt es im Kleingedruckten. Unfairer Gebrauch wird weiter definiert als "ein vom üblichen Telefonieverhalten eines Mobilfunkanschlusses seiner Art nach grob abweichendes Nutzungsverhalten", insbesondere die Nutzung in Gateways und der Wiederverkauf von Gesprächszeit.

Mehr als 50 Minuten

Wie nun über die Medien bekannt wird, versteht One darunter auch täglich durchschnittlich 50 Minuten Telefonie in das fremde Mobilnetz. Gleichzeitig ist es One-Kunden nicht möglich, eine Übersicht über bereits verbrauchte Minuten in das frei gewählte Fremdnetz abzurufen. Ob sich Mobilfunkbetreiber tatsächlich mit Erfolg auf eine solche "Fair use"-Klausel berufen können, ist mehr als fraglich. Der Begriff alleine deutet eher darauf hin, dass damit nur an das Gerechtigkeitsempfinden der Kunden appelliert, aber keine rechtliche Verpflichtung geschaffen werden sollte. Wenn es sich allerdings nur um ein Gentlemen’s Agreement handelt, berechtigt es nicht zur Kündigung. Andererseits ist der Hinweis auf "fair use" immerhin in einem Rechtstext, nämlich der Bestellung enthalten; dort ist von einer "Verpflichtung" und auch einem Kündigungsrecht des Mobilfunkbetreibers die Rede. Der Kunde musste daher erkennen, dass es „irgendeine“ Form der rechtlich verbindlichen Einschränkung geben soll. Es ist daher davon auszugehen, dass die Bestimmung mehr als ein bloßes Gentlemen’s Agreement ist.

Schlichte Vieltelefonierer

Um die Qualität einer Vertragsklausel zu erreichen, aus der ein Kündigungsrecht folgen kann, muss sie allerdings ausreichend bestimmt sein (§ 869 Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, § 6 Konsumentenschutzgesetz). Klar ist lediglich, dass der Wiederverkauf von Gesprächszeit unzulässig ist – wie sieht die Rechtslage aber für schlichte Vieltelefonierer aus? One wird im Prozess vor dem schwierigen Beweis stehen, dass es ein "übliches Telefonieverhalten eines Mobilfunkanschlusses seiner Art nach" gibt, und ab wann ein Nutzungsverhalten davon "grob abweicht". Dabei reicht es aber nicht, dass statistische Mittelwerte vorliegen – auch dem Kunden muss bei Vertragsabschluss erkennbar gewesen sein, wo der unfaire Gebrauch beginnt. Der Beweis mag bei Kunden gelingen, die das Handy halbtageweise als Babyfon verwenden; wesentlich schwieriger wird die Beweislage aber bei Nutzern sein, die statt der erwünschten 50 Minuten etwa 60 Minuten in fremde Mobilnetze telefonieren: für eine derart exakte Abgrenzung zwischen "fair" und "unfair use" hätten auch die Verträge eine gleichermaßen exakte Definition enthalten müssen.

So die "Fair use"-Klausel im Kleingedruckten enthalten ist, könnte den Kunden auch § 864a ABGB helfen: Demnach gelten ungewöhnliche und nachteilige Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht – es sei denn, dass der Kunde auf sie hingewiesen wurde und mit ihnen rechnen musste. Musste er das aber, wenn der Tarif mit unlimitierten Freiminuten angepriesen wird? Es bleibt mit Spannung die Entscheidung der Gerichte abzuwarten. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.2.2007)