Kourou - Die legendäre Sojus-Rakete gilt als das Arbeitspferd der russischen Raumfahrt. Sie ist die meistgeflogene Orbitalrakete, mit einer Zuverlässigkeit von über 97 Prozent. Kein Wunder, dass selbst die Westeuropäer trotz eigener Raketentechnik Satelliten mit diesem Transportmittel ins All schießen. Nun wird die Kooperation zwischen europäischer und russischer Raumfahrtagentur in der Raumfahrt noch vertieft: Ab Ende 2008 sollen Sojus auch vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana starten, wo am Montag der neu errichtete Sojus-Startplatz offiziell eingeweiht wurde.

Gesichtspunkte der Entscheidungsfindung

Der 2003 getroffenen Entscheidung, die Russen nach Kourou zu holen, waren lange Grundsatzdiskussionen in der europäischen Raumfahrt vorangegangen, erinnert sich der Geschäftsführer der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), Klaus Pseiner. Kritiker meinten, dass man sich nicht mit einem Konkurrenten im kommerziellen Weltraumgeschäft ins Bett lege. Dagegen argumentierten Befürworter, dass solcher Wettbewerb viel Geld koste und es besser sei, gemeinsam vorzugehen.

Die Befürworter hatten sich durchgesetzt: Am Montag wurde in Kourou die 344 Mio. Euro teure Start-Rampe symbolisch eröffnet - mit der Legung eines "Gagarin-Steins", benannt nach dem ersten Menschen im All, Yuri Gagarin. 223 Mio. Euro der Kosten kommen von der Europäischen Weltraumorganisation ESA, wobei sich Österreich mit einem Prozent an diesem Projekt beteiligt hat, und dafür auch Aufträge für heimische Firmen lukrieren konnte.

Das Unternehmen Arianespace, das derzeit bereits 50 Prozent des Weltmarkts für den Satelliten-Transport in geostationäre Umlaufbahnen hält, rechnet durch die Kooperation mit den Russen, seinen Marktanteil bei kommerziellen Starts mit Nutzlasten von bis zu drei Tonnen auf mindestens zwei Drittel zu steigern. Arianespace kauft die Raketen vom russischen Unternehmen Starsem und vermarktet selbst die Starts - derzeitiger Kostenpunkt eines Sojus-Starts: 50 Mio. Dollar. Derzeit sind drei Sojus-Starts pro Jahr vorgesehen - zum Vergleich: die Ariane-5 startet etwa fünf Mal pro Jahr.

Erhöhte Sicherheitsstandards

Für den Start von Kourou aus waren kaum Adaptionen an der Sojus vorzunehmen. Man wird nur eine den europäischen Standards entsprechende Sicherheitseinrichtung einbauen, die eine bessere Kursbeobachtung sowie einen Notstopp der Triebwerke erlaubt. Und ein spezieller mobiler Hangar schützt die Rakete vor den klimatischen Bedingungen in Französisch-Guayana, etwa Feuchtigkeit, die sich deutlich von Baikonur unterscheiden.

Die Russen erhalten durch die Kooperation Zugang zum weltweit best-platzierten Weltraumbahnhof: Während sonst die russischen Raketen von Baikonur in der kasachischen Steppe vom 48. Breitengrad aus starten müssen, liegt Kourou am 5. Breitengrad, nur rund 500 Kilometer vom Äquator entfernt. Das bringt deutlich mehr Fliehkraft durch die höhere Erdrotations-Geschwindigkeit am Äquator als bei weiter nördlicher liegenden Startplätzen und steigert die Transport-Kapazitäten der Sojus um 50 Prozent auf bis zu drei Tonnen bis in den geostationären Orbit in 36.000 Kilometer Höhe, wo Satelliten scheinbar fix über einem Punkt der Erde stehen. Weiterer Vorteil für die Russen: Sie können das Budget ihres Raumfahrtprogramms durch den Verkauf der Rakete an die Europäer aufbessern.

Ergänzende Größe

Der Vorteil für die Europäer: die Sojus passt perfekt zwischen die beiden europäischen Raketen Ariane-5 und Vega. Die riesige Ariane-5 eignet sich speziell für sehr große Nutzlasten bis zu zehn Tonnen, die kleine Vega, die ebenfalls 2008 von Kourou erstmals starten soll, ist auf bis zu maximal zwei Tonnen ausgelegt. Genau dazwischen liegt die Sojus, die nun mit einer Nutzlast von rund drei Tonnen "ein interessantes Segment vor allem von Kommunikationssatelliten abdecken kann", wie Harald Arend, Chef des ESA-Programms für den Start der Sojus von Kourou gegenüber der APA erklärte.

ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain nannte Sonntag Abend vor Journalisten in Kourou drei Gründe für die Kooperation: Die ESA sei jetzt schon größter Kunde der Sojus außerhalb Russlands, "wir brauchen die Sojus". So hat die ESA u.a. Raumsonden wie Mars- und Venus-Express schon von Baikonur aus ins All geschickt, in Zukunft könne man mit der Sojus auch vom eigenen Weltraumbahnhof aus starten. Zudem könne man mit der Kooperation am einfachsten und billigsten die Lücke zwischen Vega und Ariane-5 schließen und außerdem sei das Projekt für die langfristigen Beziehungen zwischen Europa und Russland von großer Bedeutung.

Künftig auch bemannte Starts?

Und schließlich öffnet die Kooperation mit den Russen den Europäern zumindest theoretisch die Möglichkeit, von Kourou aus bemannte Missionen ins All zu schicken. Geplant ist dies derzeit nicht, betonen alle Verantwortlichen. Es müssten auch die Sicherheitsvorkehrungen auf den neuen Startplatz angepasst werden. So ist die Sojus-Raumkapsel für die Astronauten für Kontinental-Starts konzipiert und kann z.B. nicht schwimmen - eine Voraussetzung für Starts von der Küste weg so wie in Kourou. Doch bei der Startrampe und den zugehörigen Versorgungseinrichtungen hat man schon Vorsorge getroffen: sie wurden so designt, dass sie für einen Einsatz für die bemannte Raumfahrt leicht adaptiert werden können.

---> Österreichische Technik im Einsatz

Wenn künftig russische Sojus-Raketen vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana aus starten, ist auch österreichische Technik im Einsatz. Der Hintergrund: Die neue Startrampe kostete rund 344 Millionen Euro, wobei 121 Millionen davon die europäische Raketenfirma Arianespace trägt. Am Anteil der Europäischen Weltraumorganisation ESA von 223 Millionen Euro hat sich Österreich mit einem Prozent beteiligt - also sollten nach Gepflogenheiten der ESA auch österreichische Unternehmen Aufträge erhalten.

Die Vorarlberger Klimatechnik-Firma Intemann aus Lauterach hat für die Klimatisierung in den Versorgungsgebäuden der Sojus-Startrampe gesorgt. Intemann hat sich vor einigen Jahren mit Installationen an einem Teststand für Raketentriebwerke beim Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum in Lampoldtshausen einen Namen gemacht, berichtete Gerfried Kreuzberger von Intemann. Gemeinsam mit einem französischen und belgischen Unternehmen wurde die auf Haustechnik spezialisierte 70-Mitarbeiter-Firma deshalb ausgewählt, für die Kühlwasserversorgung, Klimatisierung und Regelungstechnik in den zur Start-Rampe gehörenden Betriebs-, Rüst- und Bürogebäuden zu sorgen.

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Abgesehen von diesem Auftrag ist der Weltraumbahnhof Kourou natürlich fest in der Hand der großen ESA-Mitgliedsländer, vor allem von Frankreich. Sieht man etwas genauer hin, gibt es aber immer wieder rot-weiß-rote "Farbkleckse". So erfolgt etwa die Lieferung von Raketen- bzw. Satelliten-Teilen mit Transport-Containern made in Austria (Austrian Aerospace). Das Schleppfahrzeug, mit dem die Raketen von der Montagehalle zur Startrampe gezogen werden, fährt mit einem Getriebe von Gräf & Stift.

Startet die europäische Rakete Ariane-5 in Kourou, fliegt ebenfalls österreichische Technik mit ins All: Treibstoffleitungen sowohl für die Hauptstufe als auch für die Oberstufe der Rakete kommen von Magna Steyr Space Technology. Von der Andritz AG stammen Halteringe zur Verbindung von Feststoff-Boostern und Hauptstufe. Und Austrian Aerospace entwickelt und fertigt ein Kardan-Gelenk für die bewegliche Aufhängung und Steuerung des neuen Ariane-5-Oberstufenantriebs. (APA/red)