Wien – Die ÖBB gerät beim Wiener Zentralbahnhof zunehmend unter Zeitdruck. Dies weniger, weil der Bahnbetrieb ohne den neuen Hauptbahnhof zusammenbrechen oder weil es für die 2008 einfahrenden Railjet-Schnellzüge keine Waschanlagen geben würde, sondern weil für eines der wirklich großen Immobilienprojekte am neuen Durchgangsbahnhof rasch ein Baubeschluss her muss.

Der Bau??? des Hauptbahnhofs sollte möglichst im März fallen, hoffen mit dem Hauptbahnhof-Projekt befasste ÖBB-Manager. Was sie alle nicht dazusagen: dass es sonst eng wird beim vermutlich wichtigsten Immobilienprojekt, das im Zuge des Bahnhofneubaus realisiert werden soll – der Büro-City, die auf dem Areal des Südbahnhofs entstehen soll. Für diesen an Wiedner Gürtel und Arsenalstraße grenzenden Gebäudekomplex hat ÖBB-Holding-Chef Martin Huber bereits einen dicken Fisch an der Angel: Immorent, eine Tochter der Erste Bank, will dort ein Bürogebäude für die Erste Bank errichten.

ÖBB und Bank sind im Wesentlichen handelseins: Immorent erwirbt 80.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche um 300 Euro/m2 plus eine Option auf weitere 50.000 m2. Von den rund 24 Millionen Euro Erlös für das erste Paket (die Option ist weitere 15 Mio. Euro wert) ist ein Drittel noch heuer, nach Vorliegen der Widmung als Bauland fällig, ein weiteres Drittel bei Freimachung der entsprechenden Areale (2008) und das letzte Drittel bei Baubeginn, spätestens jedoch im Juni 2009.

Bahnhof nicht billig

Geht es nach den Hauptbahnhof-Planern, bekommt es am Bahnhof niemand so billig wie Immorent. Der Südtiroler Bauträger Seeste, Wohnungssuchenden durch den Toskanahof in der Argentinierstraße ein Begriff, ist am Hauptbahnhof an 140.000 m2 Bruttogeschoßfläche interessiert. Den Südtirolern wollen die Eisenbahner für "ihr" Areal in Höhe des Busbahnhofs in der Arsenalstraße allerdings gut 350 Euro/m2 abknöpfen. "Seeste wird mehr zahlen müssen", bestätigt ein ÖBB-Sprecher dem Standard vorliegende Informationen. Denn der erste Käufer sei quasi das Zugpferd für das Bahnhofs- und Stadtentwicklungsprojekt und bekomme dafür, dass er weitere Interessenten anlockt, sozusagen ein Zuckerl, einen besseren Preis. Dass Seeste 10.000 m2 mehr kaufen wolle als Immorent und in den LOI-Verhandlungen ebenfalls von nur 300 Euro pro m2 die Rede sei, sei dabei kein Widerspruch.

Die Grünen-Verkehrssprecherin Gabriela Moser hält den von der ÖBB-Führung herausverhandelten Quadratmeterpreis für keine große Leistung: "Wie bei anderen Immobilienprojekten auch liegt der von der ÖBB erzielte Verkaufspreis zufällig exakt an der von Gutachtern errechneten Erlösschätzung", sagt Moser, die einmal mehr auf Ausschreibungen diverser ÖBB-Immobilienverkäufe drängt. Wie lang man auf den Baubeschluss noch warten kann, ohne Investoren zu vergraulen, wollte man bei der ÖBB nicht sagen. "Ewig" werde die Erste Bank aber wohl nicht warten, ein Beschluss im März wäre hilfreich. Kommt der (wieder) nicht, beginnt vermutlich das gesamte Liegenschaftskonzept für insgesamt 59 Hektar nicht (mehr) betriebsnotwendige Flächen zu wackeln. Das hätte schwerwiegende Folgen, denn im Hauptbahnhof-Finanzierungsplan sind insgesamt rund 270 Mio. Euro Immobilienerlös eingestellt.

Wertvolle Zeit en masse ist bereits verstrichen, denn die ÖBB-Aufsichtsräte haben den Baubeschluss im Oktober 2006 aufgrund umfangreicher Mehrkosten vertagt. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27.2.2007)