Gute Schweißer sind Hochpräzisionsarbeiter. Sie sind aber rar. Das Image ihres extrem harten, körper- und technikbetonten Berufes ist heutzutage nicht mehr das Beste. Aber irgendjemand muss den harten Job tun, das Bruttosozialprodukt steigern. Aber: Heutzutage wird man Koch, vielleicht Starkoch. Oder Installateur. Da könnte man wenigstens noch pfuschen gehen. Oder man geht aufs Gymnasium, dann auf die Universität und wird Politiker.

Hochpräzision ist der Regierung derzeit nicht gerade anzusehen. Kaum ein Tag, an dem nicht wieder eine Schweißnaht, die die beiden "Partner" zusammenhalten sollte, aufgeht. Derzeit kracht es bei der Frage, wie man dem evidenten Facharbeitermangel in manchen Branchen in Österreich begegnen sollte. Die Industrie klagt, seit es ihr konjunkturbedingt wieder blendend geht, und fordert die vorgezogene Ostöffnung. Was ihr die ÖVP gerne erfüllen würde. Aber die SPÖ sorgt sich plötzlich um die Arbeitsplätze ihrer Klientel. Oder um die Stimmung ihrer Klientel.

An sich herrschte ja schon einmal Einigkeit, im Regierungsprogramm - auf Seite 51 von 167 - ist solches auch vorgesehen: "Für Fachkräfte aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten ist in Branchen mit besonderem, aus dem verfügbaren Arbeitskräftepotenzial nicht abdeckbarem Bedarf eine flexible Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen vorgesehen. Dabei sind die Sozialpartner im Rahmen einer Arbeitsmarktprüfung anzuhören, um allfällige Begleitmaßnahmen vorzuschlagen."

VP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein lobte auch kurz nach der Regierungsbildung SP-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer als "pragmatischen Exponenten seiner Partei" und ein bisschen auch sich selbst, als er in einem Interview mit dem Standard sagte, auf diese Passage hätte man sich quasi im Vorbeigehen geeinigt: "Wir haben in kürzester Zeit die Öffnungsklausel ausverhandelt." Vielleicht hätte man doch mehr Zeit dafür aufwenden sollen?

Die SPÖ-Spitze bekam nach den - in der Augen der Öffentlichkeit und der veröffentlichenden Meinungsbildner - "verlorenen" Regierungsverhandlungen von ihrer Stammklientel einiges zu hören und zu spüren: Die roten Studenten besprühten wegen der Studienbeiträge die Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße mit wenig lustigen Sprüchen und belagerten Gusenbauers Privatwohnung. Die Gewerkschafter ballten die Fäuste, weil die Arbeitsmarktagenden weiterhin in schwarzen Händen blieben. Überhaupt gilt die Ressortaufteilung als vergeigt. Und zu allem Überdruss setzen die teuren Eurofighter trotz aller SP-Wahlversprechen demnächst zur Landung an. Und jetzt noch Facharbeiter aus Tschechien, Polen oder der Slowakei, die womöglich das Lohnniveau weiter drücken sollen, damit die Chefs in der Industrie noch mehr Geld scheffeln können.

In der ÖVP macht man erwartungsgemäß auf fassungslos, von wegen: "Wie kann man nur das Regierungsprogramm nicht ernst nehmen?" Als ob Klientelpolitik in der Partei des Bauern-, Wirtschafts- und Angestelltenbundes verfemt wäre.

Dass die SPÖ auf ihre schlechten Imagewerte reagieren musste, war klar. Allerdings bleibt zu hoffen, dass das Auftreten gegen "ausländische Facharbeiter" wirklich nur aus Sorge um den heimischen Arbeitnehmer heraus plötzlich so wichtig geworden ist, und nicht, weil in Richtung des Boulevards geschielt wird, ob von dort endlich Beifallbekundungen zu erwarten sind.

Die "Ostöffnung" kommt ohnehin, und zwar 2009, spätestens 2011. Eine behutsame Anpassung des Arbeitsmarktes an diese Realität wäre deswegen richtig. Populismus wäre hier (wie auch bei der Debatte um die Medizinstudenten) fehl am Platz.

Nun ist einmal für Freitag und Samstag eine Regierungsklausur in Linz angesetzt. Der zuvor beschworene Pragmatismus wird sich angesichts der brüchigen Schweißnähte in der Koalition durchsetzen müssen. Ein Job, der manchem den Schweiß wieder auf die Oberlippe treiben wird. Aber jemand muss ihn tun. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.2.2007)