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Überflüssiger Krankenhausalltag, soziale und aktivierende Betreuung aber ist Mangelware.

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Im Herbst 2003 wurde mit meinem an dieser Stelle publizierten Kommentar zu den Missständen im Pflegeheim Lainz (offiziell: GWZ - Geriatriezentrum Wienerwald) öffentlich bekannt, was der roten Wiener Stadtregierung längst bewusst hätte sein müssen: Die alten Pflegekasernen für tausende alte Menschen sind eine Schande für eine moderne Großstadt und ein Zeichen sozialpolitischen Versagens. Die Grünen erneuerten in der darauf folgenden medialen Debatte ihre langjährige Forderung, das Pflegeheim Lainz endlich zu schließen: Das Haus ist menschenunwürdig, unrenovierbar und sein Betrieb kommt unverhältnismäßig teuer - die Unterbringung kostet 5400 Euro pro Person und Monat, wenn man alle Leistungen berücksichtigt. Diese Summen könnten für kleine, wohnortnahe, bedürfnisorientierte Einrichtungen viel besser eingesetzt werden. Die Rathaus-SPÖ aber winkte empört ab: Es wäre typisch grüne Opposition, die hervorragende Arbeit des GZW schlecht zu machen.

Gesundheitsstadträtin Pittermann musste gehen, Renate Brauner kam und einige kosmetische Korrekturen im Pflegeheim Lainz wurden als Reform gefeiert. Man lebt jetzt nicht mehr zu acht, sondern nur noch zu sechst im Zimmer. Der Alltag blieb Spitalsroutine, die wenigen Toiletten und Bäder sind mit 50 Metern Entfernung für Gehbehinderte so unerreichbar wie eh und je. "Freizeit" findet wie immer hauptsächlich vor dem plärrenden Fernsehgerät statt, denn der wunderbare grüne Park ist leider nur Kulisse vorm Fenster, Bettlägrige kommen aus Personalmangel selten an die Luft.

Stattdessen gibt es überflüssigen Krankenhausalltag, soziale und aktivierende Betreuung aber ist Mangelware. Meine wiederholten Forderungen, durch die Schließung von Lainz, den Weg für einen Paradigmenwechsel aufzumachen, wurden ignoriert. Man mutete Personal und Bewohnern lieber unsichere Verhältnisse zu. Auf der einen Seite wurde durch die laufende Besetzung von ärztlichen Leitungspositionen ein Pflegekrankenhaus forciert, auf der anderen Seite musste man einsehen, was die Grünen längst vorgerechnet hatten: Auch unvertretbar hohe Investitionen machen aus Lainz kein Haus, das zukunftsfähig ist.

Fünfzehn Jahre lang wurde von der Rathaus-SPÖ gemauert, dementiert und nicht hingesehen, jetzt erst schwenkt die neue Stadträtin für Gesundheit auf die grüne Position ein: Die Pflegekaserne GZW wird 2015 zugesperrt. Die Umsetzung dieser späten Erkenntnis wird also noch neun Jahre brauchen. Viel Zeit, die alte Menschen weiterhin in unzumutbaren Verhältnissen verbringen werden müssen.

Diese rote Politik des Verzögerns und Schönredens, bis es nicht mehr geht, hat leider System: denn immer wenn die Opposition Mängel im Gesundheitsbereich benennt und Reformen einfordert, reagiert die SPÖ mit grimmigen Jubelmeldungen: Alles ist wunderbar und könnte nicht besser sein. Einige wenige gesundheitspolitische Baustellen seien hier genannt, bei denen die SPÖ, wie bei Lainz, uneinsichtig abblockt. Zum Beispiel Kindermedizin - die Spitalsambulanzen sind überfüllt, die Kinderärzte ordinieren nicht am Wochenende, für seltene Erkrankungen fehlen Ressourcen, und psychisch kranke Kinder müssen aus Mangel an Betten in der Erwachsenenpsychiatrie untergebracht werden. Zum Beispiel Erwachsenenpsychiatrie - es gibt zu wenige Spitalsbetten, der ambulante Dienst ist unterausgestattet, wer sich die Therapie nicht selbst leisten kann, muss monatelang auf Hilfe warten. Zum Beispiel Dialyse - die Station im AKH ist in beschämendem baulichem Zustand, vier Schichten bis tief in die Nacht sind immer noch die Regel. - Auf der anderen Seite wird viel Geld verschwendet: Da werden medizinische Großgeräte angeschafft und genehmigt, obwohl Wien im europäischen Vergleich bereits jetzt überausgestattet ist. Da erlaubt das rote Wien ihren leitenden SpitalsärztInnen, ihre Privathonorare ohne öffentliche Kontrolle intransparent abzurechnen. Das AKH verzichtet zudem auf jeden Anteil am Honorarkuchen. Großzügige Nebenbeschäftigungsregelung eröffnen dem leitenden Personal zudem ungedeckelte Zusatzeinkünfte.

Auch der neue Wind in der Altenpflege könnte sich als Lüfterl erweisen, denn in der Gewerkschaft formiert sich bereits Widerstand gegen die Schließung von Lainz. Dumm nur, dass sich Frau Wehsely von ihrer Vorgängerin einen wichtigen Mitstreiter für eine echte Reform hat abschießen lassen: Pflegeombudsmann Vogt wurde Ende 2006 gekündigt, sein Team ist in alle Winde zerstreut. Die Patientenanwaltschaft, die gegenwärtig neu besetzt wird, kann diese Lücke nicht schließen. Es besteht einige Sorge, dass jemand aus dem roten Dunstkreis bestellt wird und kein lautstark unbequemer Kritiker wie Vogt... (Sigrid Pilz/DER STANDARD-Printausgabe, 27.02.2007)