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Ein seltener familiärer Moment der entspannten Art: Janice Watson (Blanche) und Mary Mills (Stella).

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... ein zwar stilistisch vielseitiges, aber etwas bleiernes Werk mit Spannung aufzuladen.


Wien - Keine Neuheit - eher schon Musikgeschichte -, aber nach wie vor erstaunlich - der Universalismus von André Previn: Einst Jazzpianist und arrivierter Filmmusikkomponist in Hollywood. Später global agierender Dirigent, auch pianisierender Gesprächspartner im Rahmen von Kammermusiksituationen. Zudem Komponist der sehr gemäßigten Moderne ohne Berührungsängste zum Musical.

Bei so viel Flexibilität auf zumeist sehr hohem Niveau wundert es nicht, dass auch die Musik zu seiner Oper "Endstation Sehnsucht", die 1998 das nicht ganz unbekannte Stück von Tennessee Williams in Literaturopernform brachte, ohne Dogmatik und Einseitigkeit auskommt.

Da umweht im Theater an der Wien bei der Österreichpremiere des Werkes ein flächiges, clusterartiges Klanggebilde die Traurigkeit von Blanche DuBois, bleibt einen Abend lang der akustische Schatten der Zerbrechlichen, der sich ein wenig verflüchtigt, wenn sich die langsam Richtung Realitätsflucht Abdriftende schummrigen Arien hingibt.

Schläge, Arien

Dort wiederum strahlt es mitunter matt jazzig - wenn es darum geht, New-Orleans-Lokalkolorit herbeizugrooven oder den aggressiven Stanley samt Alltag zu charakterisieren. Seine schwangere Stella wiederum bekommt, nach Watschen und dem folgenden Versöhnungssex mit dem ehelichen Rüpel, die kulinarischste Arie des Werkes. Die aggressiven Szenen wiederum sind perkussiv und dezibelstark unterfüttert.

In Summe also: Vielfalt, wo man hinlauscht; satte Romantik, Klassiker der Moderne und Jazz plus ein bisschen Broadway. All das darf sein, so empfindet Previn eben, und das ist so legitim wie authentisch, und nicht das eigentliche Problem des Werks, das sich lange Zeit zäh dahinwälzt. Nur im vierten Akt etwas an Kompaktheit gewinnt.

Heikel und schade scheint an dem Zugang eher, dass hier einer komponierend um eine Literaturikone herumkreist, sie dekoriert, ein bisschen einfärbt, Emotionen und deren Intensität akustisch verdoppelt und also nicht willens war, das Stück musikalisch wirklich neu zu denken und zu gestalten. So hat man ein Sprechstück, dem die Musik das Tempo raubt und eine Musik, die gewissermaßen im Vorzimmer des Stücks herumzappelt und von ihrer virtuosen Eklektik erzählt. Mit Ausnahme der Arienmomente, die eine gewisse Stringenz aufweisen.

Eher lahm

Es wirkt das Ganze eher geschwätzig und langsam. Und keinesfalls kann man die Regie von Stein Winge von der Verantwortung freisprechen, die Ereignisse auf der schmucklosen Drehbühne noch zusätzlich durch Verharmlosung der Situationen gezähmt zu haben. Das Ensemble - Stanley (Teddy Tahu Rhodes), Blanche DuBois (Janice Watson), Mitch (Simon O'Neill) und Stella (Mary Mills) - ist von der Schuld freizusprechen; sie setzen ihre Parts souverän um.

Die Wiener Symphoniker sind ihnen ein verlässlicher Assistent, den Sian Edwards in sängerfreundliche Bahnen lenkt. Aber sängerunfreundlich ist das alles ja nicht komponiert. Nur unentschlossen eben. (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.3.2007)