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Petrovic: "Die jungen Frauen wollen auch am Land Beruf und Familie vereinbaren können. Die Angst vor der sozialen Kontrolle ist vielleicht am Land noch etwas größer. Da kommen dann die ganzen Launs und Clowns der Republik und geben gute Ratschläge. Da zu sagen: "Rutscht mir den Buckel runter", ist eben nicht leicht."

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Madeleine Petrovic, stellvertretende Bundessprecherin der Grünen, hält die "Faselei über eine Minderheitsregierung" im derStandard.at- Interview für einen "sehr dummen Unfug", den ohnehin niemand ernsthaft in Betracht gezogen hatte. Die Grünen sieht sie aber keineswegs zur ewigen Opposition verdammt, schließlich regiere man zumindest in Oberösterreich und im kommunalen Bereich mit.

Auch am Land würden die Grünen großes Potenzial vorfinden. Es sei aber für die Menschen schwieriger, sich der sozialen Kontrolle der "Launs und Clowns" zu entziehen. Eine Diskussion um eine Van der Bellen-Nachfolge werde es erst gebe, wenn er sich "täglich ins Parlament schleppen" müsste.

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derStandard.at: Sind Sie unglücklich darüber, dass es zu keiner Minderheitsregierung gekommen ist?

Petrovic: Ich halte diese Faselei über Minderheitsregierung und über das freie Spiel der Kräfte für einen sehr dummen Unfug. Denn nichts braucht dieses Land weniger, als irgendwelche Wackelregierungen. Ich hätte es für politisch irrwitzig gehalten eine Minderheitsregierung der SPÖ, die jedenfalls die Duldung einer Partei rechts außen braucht, überhaupt in Betracht zu ziehen. Ich würde jedem davon abraten mit Herrn Dr. Haider oder Herrn Westenthaler auch nur irgendwas gemeinsam zu machen. Sie sind nicht paktfähig. Jeder gemeinsame Beschluss hätte seinen Preis gehabt und das wäre ein gesellschaftspolitscher gewesen. Zum Beispiel ein unerfüllter Punkt des Ausländervolksbegehrens, der außen zu tragende Ausländerausweis. In diese Situation hätte sich weder die SPÖ noch die Grünen begeben wollen.

derStandard.at: Für eine Übergangsregierung haben sich die Grünen aber definitv angeboten.

Petrovic: Das war eine Vorbereitungsvariante. Die SPÖ hat das aber ohnehin nie ernsthaft vorgehabt. Nichts liegt der SPÖ ferner als irgendwelche Manöver, die ihre machtpolitschen Interessen gefährden. Sie wollte immer regieren und zwar in einer stabilen Variante.

derStandard.at: Sie verstehen sich als "klaren und eindeutigen scharfen Gegenpol" zur FPÖ. Haben Sie ein Problem damit, dass in einzelnen Sachthemen im Parlament mit der FPÖ gestimmt wird?

Petrovic: Würden die Grünen automatisch immer dagegen sein, wenn die FPÖ dafür ist und umgekehrt, wären wir ihr Spiegelbild. Wir sind aber eine eigenständige Partei mit eigenen Inhalten. Die FPÖ hat im Umweltbereich gelegentlich Anliegen vertreten, die auch die unsrigen sind, wenn auch teilweise mit anderem Hintergrund. Zum Beispiel beim Thema Temelin. Auch im Kontrollbereich kann das der Fall sein. Wir erleben zum Beispiel in Niederösterreich eine ÖVP, die ihre absolute Macht mit Zähnen und Klauen verteidigt und beispielsweise bedenkenlos Verfassungsbestimmungen bricht, wenn es um Verweigerung der Kontrolle geht. Wenn wir hier etwas erreichen könnten, würde ich auch eine freiheitliche Unterschrift akzeptieren.

derStandard.at: Apropos Kontrolle. Der Eurofighter-Ausschuss wird von einem grünen Politiker, Peter Pilz geleitet. Ist seine Vorsitzführung in ihren Augen hier "zu ideologisch", wie viele Kritiker meinen?

Petrovic: Der Peter Pilz kann nicht alles, aber wenn es einen gibt, der als messerscharfer Kontrolleur geeignet ist, dann er. Das Maß an Kritik, das ihm entgegen schlägt, heißt für mich nur, dass er sehr effizient arbeitet. Und wenn man eine wunden Punkt erwischt, wird üblicherweise die untersten Schublade bedient. Ich kenne das von mir. Dann heißt es plötzlich: "Die Petrovic bricht in Schweineställe ein und will alle dazu zwingen, Vegetarier zu werden, etc." Aber das, was im U-Ausschuss jetzt schon ans Tageslicht getreten ist, rechtfertigt den Peter Pilz mal Zwei. Er wird sicher noch zur absoluten Höchstform auflaufen.

derStandard.at: Sie waren ursprünglich Mitglied der Jungen Volkspartei. Können Sie der ÖVP jetzt keinerlei Sympathien mehr entgegenbringen?

Petrovic: Ich war politisch interessiert und auf der Suche. Die ÖVP lag damals aufgrund meines familären Hintergrunds nahe. Mein Vater war Unternehmer - noch dazu ein Spediteur, eine Sparte, mit der die Grünen ohnehin immer im Clinch liegen. Mir hat es aber gut getan, auch diese Seite kennen zu lernen. Ich bin dann auf die VGÖ (Vereinte Grüne Österreichs, Anm.) gestoßen und habe dann auch gesehen, dass das nicht meins ist. Ich hab weitergesucht und habe dann Hannelore Weber (Grüne Alternativen Wien, Anm.) getroffen und habe gemerkt, da gehöre ich her. Ich schätze aber Menschen, die eine ehrliche sozialdemokratische Überzeugung haben genauso, wie einen vernünftig liberalkonservativen Menschen, obwohl ich hoffe, dass keine dieser Kräfte wieder absolute Mehrheiten kriegen.

Zur ÖVP heute: die ist ja kein monolithischer Block. Da gibt es Leute, mit denen man unglaublich witzige und anregende Diskurse führen kann, wie mit Erhard Busek. Sogar bei der niederöstereichischen ÖVP, die ja ein Kapitel für sich ist, gibt es unterschiedliche Charaktere. Und die Zusammenarbeit ist in manchen Dingen mit der ÖVP leichter. Die ÖVP stellt keinen Baum auf, wenn es um die Zulassung von Fachkräften aus den neuen EU-Staaten geht. Wir werden diese Leute brauchen, wie einen Bissen Brot. Die Problem mancher Arbeitsloser hier kann man mit härten Zugangsbestimmungen nicht lösen.

derStandard.at: Haben die Grünen ein Generationenproblem?

Petrovic: Ich würde das nicht als Problem sehen. Ich würde mir wünschen, dass auch 70-Jährige - wenn sie wollen - bei uns aktiv sind. Von Niederösterreich kann ich sagen: wir haben in den Gemeinden ganz tolle junge Leute und ich nehme an, dass die sich auch bei den Wahlen 2008 gut positionieren werden. Die Leitfiguren der Jugend waren aber auch oft diejenigen, die schon in die Jahre gekommen waren. Auch ich war von der Freda (Meissner-Blau, Anm.) angetan. Aber ich finde natürlich auch, dass jede Gruppe sich selbst repräsentieren sollte. Wenn nicht die Jungen in einer Partei den Älteren gelegentlich Wickel bereiten, wer soll das sonst tun?

derStandard.at: Politisch interessierte Kids würden aber vielleicht gerne mitgestalten. Bleiben die Grünen eine ewige Oppositionspartei?

Petrovic: Es stimmt, wir sind nicht häufig in einer Regierung. Aber: der Rudi Anschober ist, die Eva Lichtenberger war in einer Regierungsposition. Und sogar im kohlrabenschwarzen Niederösterreich haben wir in sechs Gemeinden Regierungsbeteiligung. So bescheiden die Gemeindekompetenzen sind, man merkt die grüne Handschrift. Aber wir sehen auch, dass das nicht leicht ist. Da landen mitunter Streitigkeiten über vernachlässigte Schafe auf meinem Schreibtisch. Es ist allerdings wichtig, dass die Grünen lernen mitzubestimmen.

derStandard.at: Unterscheiden sich grüne Themen im urbanen und ländlichen Bereich?

Petrovic: Nicht sehr. Die Gleichstellung von Schwulen und Lesben ist vielleicht am Land nicht so ein Thema. Aber es gibt alle Phänomene überall, es wird nur teilweise nicht darüber gesprochen. In Niederösterreich gibt es zum Beispiel offiziell weder die Aidsproblematik noch Probleme mit dem tschechischen Straßenstrich. Niederösterreich ist ja so ein gottfürchtiges Land. Die Anliegen sind aber die gleichen. Die Leute wollen eine lebenswerte Umwelt, wollen genießen, brauchen ihre Mobilität. Die jungen Frauen wollen auch am Land Beruf und Familie vereinbaren können. Die Angst vor der sozialen Kontrolle ist vielleicht am Land noch etwas größer. Da kommen dann die ganzen Launs und Clowns der Republik und geben gute Ratschläge. Da zu sagen: "Rutscht mir den Buckel runter", ist eben nicht leicht.

derStandard.at: Werden die Grünen mit der Zeit milder, bürgerlicher, wie es der Partei so oft nachgesagt wird?

Petrovic: Was heißt "bürgerlich" eigentlich? Franz Werfel hat einmal geschrieben: "Bürger ist, wer ein Geheimnis hat". Für mich ist die Unterscheidung zwischen denjenigen wichtiger, die sich nur um Kapitalinteressen scheren und denjenigen, die sich auch um die Menschen kümmern. Ein grünes Anliegen ist es, dass man große Unternehmen auch adäquat ihrer Leistungskraft besteuert. Hier sollte sich Europa auf die Füße stellen. Das betrifft sowohl die kleinen als auch die "mittleren" Leute. In dieser Hinsicht frage ich mich, wer nicht bürgerlich ist.

derStandard.at: Was ist ihr größtes Anliegen an Ihre Partei bei der Bundestagung der Grünen an diesem Wochenende?

Petrovic: Dass wir bei den Themen eine Kontinuität bewahren. Wir haben lange um eine Komprimierung unserer Topthemen gerungen. Auch wäre es wichtig, die Ängste der Menschen abzubauen. Dinge wie: Wenn die Grünen was zu sagen haben, dürfen wir nicht mehr Auto fahren. Wir haben weitgehende Ziele, mit denen auch Verhaltensänderungen einhergehen. Und wir wollen andere Steuern und Umverteilung. Die Reichen können mehr beitragen. Die Grünen sind als Personen aber durchaus bürgerlich und wir haben nicht vor, den Wirtschaftsstandort Österreich zu gefährden. Wir würden ihn gerne modernisieren.

derStandard.at: Über eine potenzielle Van der Bellen-Nachfolge wird am Wochenende auch nachgedacht?

Petrovic: Nein, das ist kein Thema. Im Gegenteil: Alexander van Bellen hat seit seinem 60. Geburtstag einen kontinuierlichen Aufwärtstrend. Was anderes wäre es, wenn er sich täglich ins Parlament schleppen würde. Das ist aber augenscheinlich nicht der Fall. (Manuela Honsig-Erlenburg/derStandard.at, 2.3.2007)