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Bis zu 50.000 US-Dollar, umgerechnet knapp 38.000 Euro, werden für eine Eizellspende geboten. Freilich werden solche Summen nicht für die Eier irgendeiner dahergelaufenen Frau bezahlt. Die Produzentin einer solch heiß begehrten Fortpflanzungsrate muss schon ein paar Kriterien erfüllen: blond, athletisch, mindestens 1,77 Meter groß, jünger als 26 Jahre und sehr intelligent, also mit einem hervorragenden Aufnahmetest an einer US-Eliteuniversität. Das genetische Potenzial für die sündteure Aufzucht eines in der High Society herzeigbaren Nachwuchses muss schon passen.

Werbung um Spenderinnen

Derart klar definierte Werbeeinschaltungen – etwa in Studentenzeitschriften in Harvard oder Stanford – sind keine Einzelfälle, selbst wenn dieselben Zeitschriften in ihren Leitartikeln derartige Machenschaften als ethische Grenzüberschreitung anprangern. Das mit den erwähnten 50.000 Dollar bisher lukrativste Angebot annoncierte kürzlich die Eizellspender-Agentur "A Perfect Match" mit Sitz im sonnengeplagten Kalifornien, dem erwiesenen Epizentrum durchgeknallter Ideen.

Die Käufer und die Regeln

Die Abnehmer der stofflichen Fertilisationstools sind betuchte kinderlose Paare, die sich mittels künstlicher Befruchtung den ersehnten und manchmal auch maßgeschneiderten Nachwuchs erhoffen. Bis zu 38 Millionen Dollar sollen in den Staaten jährlich für gespendete Eizellen von diesem Niveau ausgegeben werden. Zwar hat die American Society for Reproductive Medicine nun ethische Richtlinien festgesetzt, wonach die Bezahlung 10.000 Dollar nicht überschreiten soll, die Spenderinnen nicht jünger als 21 Jahre sein und nicht mehr als sechs Spenden in ihrem Leben abgeben sollen.

Aber diese Regeln sind halt freiwillig und haben im Zweifel wenig Einfluss auf das lukrative Eizellen-Geschäft. Insgesamt, schätzt die US-Gesundheitsbehörde, gaben im Jahr 2005 etwa sechs Millionen unfruchtbare Paare rund drei Milliarden Dollar für künstliche Befruchtungen aus – eingekaufte Eier inklusive.

Ethik

In den meisten Fällen geht es natürlich kostengünstiger und ohne vorhergehende Selektion zu, ist die rechtliche Möglichkeit der Eizellspende für viele kinderlose Paare tatsächlich eine auch bei Bioethikern gut geheißene Option auf eigenen Nachwuchs. Allein – diese rechtlichen Möglichkeiten sind primär aufgrund moralischer und ideologischer Einwände nicht überall gegeben. Gegner führen die Gefahr einer Ausbeutung der Frauen, eines Ausverkaufs der Weiblichkeit – sofern man diese rein biologistisch auf die Eizelle reduzieren will – und eines Missbrauchs dieser zellulären Quellen allen menschlichen Lebens an. In Österreich, Deutschland, der Schweiz, Italien und Norwegen ist es nach derzeitiger Gesetzeslage jedenfalls verboten, dass Frauen Eizellen spenden, in 15 EU-Staaten ist es jedoch erlaubt. Auch in etlichen weiteren europäischen Staaten und natürlich in vielen Ländern auf anderen Kontinenten.

Tourismusziele Spanien, Belgien und Rumänien

Dieses rechtliche Ungleichgewicht führt zwangsläufig zu einem Eizellspenden- und damit verbunden auch zu einem Fertilisations-Tourismus, als diesbezügliche Reiseziele haben sich in der EU besonders Spanien und Belgien etabliert. Dort erhalten Spenderinnen bis zu 900 Euro für ihre Eier, wer sich diese samt künstlicher Befruchtung in die Gebärmutter einpflanzen lassen will, berappt bis zu 10.000 Euro.

In Rumänen, dem dritten auf Eizellspenden spezialisierten Reiseziel in Europa, erhalten Spenderinnen nur etwa die Hälfte, dafür kostet die künstliche Befruchtung für die Empfängerinnen auch um einiges weniger. Aber das große Geld wird ohnedies mit Eizellspenden gemacht: Eine rumänische Agentur, die Spenderinnen dafür etwa 400 Euro bezahlt, erhält auf dem Weltmarkt rund 5000 Euro für das reife Stück. Die Nachfrage jedenfalls, behaupten die Anbieter, sei enorm und würde immer größer. Zahlen dazu liegen jedoch keine vor.

Forschung

Aber nicht nur in der Reproduktionsmedizin steigt die Nachfrage nach weiblichen Keimzellen, auch der Grundlagenforschung gehen langsam die Eier aus. Denn die moderne Stammzellforschung ist auf Eizellen angewiesen. Sie dienen als unverzichtbares Hilfsmittel zur Herstellung der ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen, mit denen neue Therapien gegen Alzheimer, Parkinson und viele bisher unheilbare Krankheiten entwickelt werden sollen. Doch die zur Gewinnung der erhofften Wunderdinger angewandte Technik, das therapeutische Klonen, ist derzeit noch extrem ineffizient. Und weil das so ist, werden zur Etablierung einer geeigneten Stammzelllinie teils mehrere hundert Eizellen benötigt.

In den meisten Ländern, die derartige Forschung zulassen – Österreich gehört hier nicht dazu –, stammen die entsprechenden Eizellen aus der künstlichen Befruchtung, allerdings nur nach ausdrücklicher Genehmigung der so Befruchteten und ohne Kostenentschädigung. Daher reichen sie bei Weitem nicht aus. Also überlegen wissenschaftliche Institutionen etwa in Großbritannien und Frankreich, wie sie an mehr Eizellen gelangen – und was sie Frauen dafür anbieten können. Denn die Prozedur ist weder angenehm noch risikolos.

Prozedur

Eine Frau, die sich für eine Spende entscheidet, muss sich bis zu zwei Wochen täglich einmal ein Hormonpräparat spritzen, um die Reifung von mehreren Eizellen anzuregen. Am Tag der Ernte wird die Spenderin anästhesiert. Mit einer dünnen Nadel, die durch die Vagina eingeführt wird, werden die Eizellen aus den Eierstöcken abgesaugt – bis zu zwölf oder mehr. Manche Frauen reagieren aber schlecht auf die Hormone. Nebenwirkungen sind Übelkeit, Stimmungsschwankungen und Gewichtszunahme.

Risiken

Bei zwei bis fünf Prozent der Behandelten kommt es zum ovariellen Hyperstimulationssyndrom: Es reifen 30 Eizellen und mehr gleichzeitig heran, die Blutgefäße werden undicht, der Bauch bläht sich auf, in seltenen Fällen kommt es sogar zu Nierenversagen. Aber immerhin ist das Sterberisiko gering: laut Studie unter 0,01 Prozent. Mögliche Langzeitgefahren dafür kennt man nicht. Ob wiederholte Eispenden nicht nur im Tierversuch, sondern auch bei Frauen das Eierstockkrebsrisiko erhöhen, bleibt abzuwarten. Also: Wie und wie viel dafür bezahlen?

Rabatt

Britische Wissenschafter setzen derzeit auf das Egg-Sharing, das Eier-Teilen: Am Stem Cell Institute in Newcastle, das eine In-vitro-Klinik angeschlossen hat, zahlen Frauen, die ihre überzähligen, befruchteten Eizellen der Forschung abtreten, statt der üblichen 2500 Pfund (gut 3700 Euro) nur die Hälfte. Und in Frankreich wird derzeit über eine Aufwandsentschädigung durch die Sozialversicherung diskutiert: Nicht die gespendeten Eier werden nach marktwirtschaftlichen Kriterien abgekauft, denn diese gibt die Frau in diesem Fall ja aus wissenschaftlich-humanitären Gründen gratis ab – lediglich für die Mühen der Produktion soll sie finanziell entschädigt werden.

"Herr der Eizellen"

Vielleicht jedoch sind all diese Fragen ohnedies bald obsolet, vielleicht muss sich die Menschheit bald von der Vorstellung verabschieden, die Frau sei die einzige Eierlieferantin, die begehrten Zellen seien mit dem Attribut weiblich zu versehen. Der deutsche Biologe Hans Schöler jedenfalls wird schon heute "Herr der Eizellen" genannt. Ihm gelang es nämlich vor gut drei Jahren, Eizellen aus Stammzellen herzustellen – völlig wurscht, ob diese weiblich oder männlich waren. Damit riss er eine der wichtigsten Grenzen der Biologie ein. Bis dahin nämlich war man davon ausgegangen, dass Keimzellen nur in Lebewesen heranreifen können. Freilich sind diese Arbeiten mit Eizellen noch im Tier- und Grundlagenstadium. Aber immerhin: Ihre Züchtung im Labor markiert eine tiefe Zäsur, denn Lebewesen und ihre Einzelteile scheinen bald in ungeahntem Maß technisch machbar. Damit werden die Themen Reproduktionsmedizin und Stammzellforschung auf eine ganz andere Ebene gehoben. Eine ohne Frauen. Und auch ohne Männer: Denn japanische Forscher stellen ähnlich wie Schöler bereits männliche Samenzellen aus Stammzellen her. (Andreas Feiertag, DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.3.2007)