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Foto: APA/Barbara Gindl

Sechzig Kilometer sind es von Wien nach Bratislava. Gäbe es auf der österreichischen Seite eine durchgehende Autobahn, ginge die Fahrt noch schneller. Aber für jemanden, der vielleicht schon zwei, drei oder noch viel mehr Jahre gewartet hat, sind einzelne Stunden keine Kategorie mehr. Im Gegenteil: Bratislava ist vom österreichischen Standpunkt aus gesehen ein klarer Standortvorteil, denn man braucht keinen Flieger, um in kurzer Zeit dorthin zu kommen. Und in Bratislava gibt es das, was die österreichische Gesetzgebung seit 1992 verboten hat: Eizellenspenden.

Letzte Hoffnung

Eizellen, die einer Frau, sprich Spenderin entnommen werden, um befruchtet in eine andere Frau, sprich Empfängerin, transferiert zu werden. Was hier einigermaßen technisch klingt, ist meist eine langwierige und beschwerliche Prozedur – körperlich für die Spenderinnen und seelisch für die Empfängerinnen, die mit dieser Methode oftmals die letzte Hoffnung auf ein "eigenes Kind" verbinden.

Frage der Ethik

Die ganze Sache ist ein heikles Thema – und das gleich in vielerlei Hinsicht: Die Eizellen-Spende berührt ethische Fragen der Reproduktionsmedizin, sie betrifft hochsensible innerfamiliäre Bereiche und: die Eizellen-Spende ist ein Geschäft geworden, das noch dazu in Österreich verboten ist.

Genau das zum Beispiel steht auch auf der Internetseite des Kinderwunschzentrums der Privatklinik Goldenes Kreuz im 18. Wiener Gemeindebezirk geschrieben. Es steht aber auch weiter: "Andere Länder in der Europäischen Union schränken die Anwendung dieses Verfahrens hingegen nicht ein. Für erweiterte Behandlungsmöglichkeiten kontaktieren Sie bitte unser Tochterinstitut Ferticent Bratislava.

Sowohl als auch

Kein Wunder also, dass Frauen, die hierzulande von der Problematik betroffen sind und sich dann für eine Eizellen-Spende entscheiden, wenig darüber reden wollen – und wenn, dann anonym bleiben wollen. Anna L. war 38 Jahre alt, als sie sich wegen ihres verklebten Eileiters einer Operation unterziehen musste. Als auch etliche Hormonbehandlungen und vier In-vitro-Fertilisations(IVF)-Versuche (die zu 70 Prozent von der Krankenkasse bezahlt werden, aber pro Versuch immer noch rund 1500 Euro Selbstbehalt kosten) nicht fruchten, sagt ihr der behandelnde Arzt am Kinderwunschzentrum: "Es gibt noch zwei Möglichkeiten: eine Eizellenspende oder eine Adoption." Anna L.: "Ich und mein Mann haben alle Anträge auf eine Adoption gestellt, aber auch im Gegenzug mit der Eizellenspende begonnen. Beim ersten Mal hat es noch nicht geklappt, aber beim zweiten Mal dann schon. Der Adoptionsantrag bleibt aber aufrecht, bis das Kind auf der Welt ist. Oder umgekehrt: Sollte dem Kind bis dahin etwas passieren, ist die Möglichkeit der Adoption nicht vorbei."

Handel floriert

Wie viele österreichische Frauen es gibt, die eine Eizellenspende in Anspruch nehmen, darüber gibt es keine Zahlen. "Nicht mehr als 150 Frauen pro Jahr", schätzt Andreas Obruca, leitender Arzt am Kinderwunschzentrum der Privatklinik Goldenes Kreuz im 18. Wiener Gemeindebezirk. In Tschechien gibt es mittlerweile die meisten Zentren, die auch von einem großen Teil der österreichischen Klientel angesteuert werden. Dann folgt die Slowakei und an dritter Stelle Spanien, wo die Eizellenspende europaweit am meisten angeboten wird. "Zwischen 4000 und 14.000 Euro kostet so eine Spende", weiß Andreas Obruca. In ehemaligen Ostblock-Staaten, wie Rumänien oder Bulgarien, ist das Preisniveau eher niedrig, in den USA extrem hoch. Der Eizellen-Handel floriert also – und nicht zuletzt, weil auch die moderne Stammzellforschung auf sie angewiesen ist.

Im Goldenen-Kreuz-Tochterunternehmen Ferticent kostet eine Eizellen-Spende rund 6000 Euro, der Preis inkludiert auch den so genannten "Kostenersatz" für die Spenderin. Laut Obruca bekommen die jungen slowakischen Frauen 1000 bis 1500 Euro pro Spende und müssen sich dafür gründlich durchchecken, hormonell aufbauen und unter Narkose via Punktion die Eizellen entnehmen lassen.

Psyche

Anna L.: "Ich weiß gar nichts von der Eizellen-Spenderin. Ich habe alle Unterlagen hier in Österreich ausgefüllt. Aus welchem Umfeld soll sie kommen? Soll sie hübsch sein? Wie groß bin ich selbst und wie schwer, welche Augen- und welche Haarfarbe habe ich? Und natürlich auch alles von meinem Mann. Die Eizelle ist zwar nicht von mir, aber die andere Hälfte kommt von meinem Mann. Wir denken an das alles gar nicht. Wenn wir beim Ultraschall sind und der Arzt zu uns sagt: ,Die hat eine kleine Stupsnase!‘ Dann sagt mein Mann: ,Die hat sie von dir!‘ Ich habe großes Vertrauen zu unserem Arzt. Die suchen nach den richtigen Übereinstimmungen. Ich denke, das Schwierige ist, dass das Blut zusammenpasst."

Rein medizinisch müsste man nicht nach einer Übereinstimmung der Blutgruppen suchen und viele Institute nehmen darauf keine Rücksicht. "Wir machen das", sagt Andreas Obruca, "vor allem, wenn klar ist, dass die Eltern dem Kind später einmal nichts über die Eizellen-Adoption sagen wollen." Weil die psychische Komponente einer solchen Prozedur nicht zu unterschätzen ist, bieten die Institute eine umfassende Beratung und psychologische Betreuung. Und auch Obruca ist sich sicher: "Ein Leidensdruck muss schon massiv und der Kinderwunsch sehr intensiv sein, um sich dieser Methode zu unterziehen!"

Ausbleibende Schwangerschaft

Sonja Z. hat sich, schon als sie 19 war, gemeinsam mit ihrem Freund ein Haus gekauft, alles, um später darin mit ihm auch Kinder zu haben. Als die beiden mit 28 Jahren noch immer keine Eltern waren, wurden sie nervös. Vor vier Jahren wurden sie dann aktiv: Zuerst war der Mann schuld, erst nach dem dritten IVF-Versuch war klar: Die Eizelle ist schuld. Die insgesamt vier künstlichen Befruchtungsversuche waren anstrengend und niederschmetternd, und irgendwann gab es keine Alternative mehr zur Eizellen-Spende, auch, weil sich die Eheleute über Adoptions-Modalitäten nicht einig werden konnten. Vor dem tatsächlichen Transfer waren sie schon zweimal bei Ferticent und fühlen sich gut versorgt, die Krankenschwester spricht deutsch und der behandelnde Arzt ein verständliches Englisch. Schon auf der Rückfahrt nach Österreich sind sie zuversichtlich, dass alles geklappt hat.

Sonja Z.: "Ich weiß, ich werde später auch denken: Von mir hat sie das nicht! Aber vor der Eizellenspende konnte ich immer nur eines denken: Von wem kommt diese Eizelle? Die können sicher nicht alles überprüfen. Ich war erleichtert zu hören, dass es eine weitere Möglichkeit gibt. Auch meine Mutter hat sofort gesagt: 'Frag sie!' Es war hart, aber zum Glück hat sie Ja gesagt. Ich weiß, von wem die Eizelle ist. Die Spenderin ist aus unserer Familie, und das macht es mir leichter. Ich hätte auch eine Freundin gehabt, die mir helfen wollte. Wenn ich von mir selbst ausgehe, ich würde das nicht so einfach für jemanden tun. Aber bei meinen Nichten hat es auch immer geheißen: 'Ganz die Tante!' Ich frage mich oft: Was geht in ihr vor? Und ich frage sie dann auch, und sie sagt: 'Das ist kein Problem'."

Unterschied zur Samenspende

Was die Eizellen-Spende im Unterschied zur Samenspende vielleicht problematisch macht, ist der Prozess ihrer Gewinnung. Wer unterzieht sich schon gerne einer belastenden Hormonbehandlung samt Operation? Wer spritzt sich schon gerne selbst Injektionen in den Bauch? Auch in der Slowakei rennen junge Frauen Ferticent nicht die Türen ein. Und Andreas Obruca gibt offen zu: "Im Gegensatz zu Spanien können wir in der Slowakei nicht inserieren, weil es, obwohl die Sache gesetzlich erlaubt ist, gesellschaftlich nicht anerkannt ist." Die Akquisition passiert also fast ausschließlich über Mundpropaganda.

Handhabung

Was bleibt, sind die Fragen der Handhabung – und des Erfolgs. In der Slowakei ist ein Alter von 50 Jahren das Limit für eine Eizellenspende. In Bulgarien, Rumänien oder der Ukraine gibt es keine Altersbeschränkung. Dort werden mit einer Spenderin gleich mehrere Empfängerinnen bedient – eine Bandbreite für Profitspannen ist also vorhanden. Auch das wird bei Ferticent in Bratislava nicht gemacht, versichert Obruca: "Bei uns steht die Gesundheit der Spenderin an erster Stelle!" Nur: Überprüfen lässt sich das schwierig. Obruca hat in den drei Jahren des Bestehens der Tochterfirma in Bratislava nur zweimal Paare über 50 Jahre ablehnen müssen, andere aus gesundheitlichen Gründe.

Sinkende Fruchtbarkeitskurven

Tatsache bleibt, dass die Fruchtbarkeitskurven von Frauen in westlichen Industriestaaten in Zukunft weiter nach unten gehen werden und IVF-Behandlungen in den vergangenen Jahren um bis zu 40 Prozent gestiegen sind. Dazu kommt: Die Schwangerschaftsraten sind bei Eizellenspenden noch einmal besser als bei der normalen IVF: Die liegen (laut Ferticent) bei 60 bis 66 Prozent, bei der IVF in etwa bei 40 bis 45 Prozent. Heißt: Anna L. ist heute mit 43 Jahren im sechsten Monat schwanger. Sonja Z., 33 Jahre ist seit einem Jahr Mutter einer kleinen Tochter. (Mia Eidlhuber, DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.3.2007)