Die Zeit im Zug vertrieben sich Gerald und sein Reisepartner Elmar mit Schlafen, Lesen oder der Kamera.

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Der Hamburger Hauptbahnhof war der erste und einer von vielen Stopps der vierwöchigen Reise.

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Das norwegische Nordkapp: Ein Ziel, das die Reisenden lange vor Augen hatten.

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"Einfach nur weg von allem und jedem, nur Zeit für mich alleine haben", das war für Publizistik-Student Gerald der Grund, warum er sich im Sommer 2004 auf eine Reise in den Norden Europas machte. Sein Ziel, das norwegische Nordkap, erreichte er bei seiner ersten Interrail-Reise allerdings nicht: "Auf der Karte sah das viel einfacher aus. Weil’s dann doch etwas weit weg war, habe ich die Reise in Trondheim abgekürzt und bin wieder heimgefahren."

Weil er sein Ziel dennoch erreichen wollte, begab er sich im vergangenen Sommer noch einmal auf eine vierwöchige Zugreise in den Norden Europas – diesmal in Begleitung seines Freundes Elmar. Immerhin haben es in den letzten 25 Jahren 6,8 Millionen junge Menschen gewagt, Europa mit der Bahn zu entdecken: Seit 1972 bietet das Interrail-Ticket günstige Tarife an, um das 250.000 Kilometer umfassende Netzwerk der europäischen Zuglinien auszunützen. Während einige mutige sich allein auf Interrail-Tour begeben, reist der Großteil allerdings in Gruppen.

Kartenspiele, Schlafen und Lesen

"Zu zweit haben wir’s dann bis ans Nordkap geschafft", berichtet Gerald. Die Reise lasse sich in einer kleinen Gruppe sicher leichter bewältigen, man könne sich gegenseitig pushen und ergänzen. Allerdings müsse man sich gut überlegen, mit wem man sich auf die Reise begibt: "Man kann sich gegenseitig auch schon mal nerven", warnt er. Besonders die langen Zugfahrten stellten die Ausdauer der beiden auf eine Probe: "Die längste Fahrt dauerte 13 Stunden, deshalb haben wir versucht, mindestens einen Tag bei unseren Zwischenstopps zu bleiben, und erst dann wieder weiterzureisen." Die langen Fahrzeiten verbrachten die Wiener Studenten mit Kartenspielen, Schlafen, Lesen oder der weiteren Routenplanung.

Trotz der langen Reisezeiten zieht Gerald die Zugfahrt dem Mietwagen vor: "Sicher hat ein eigenes Auto seine Vorteile, aber beim Zugfahren kann ich mich entspannen. Und ich muss mich nicht ums Tanken oder irgendwelche Gebühren kümmern", meint er. Ein weiterer Vorteil sei, dass man überall aus- und einsteigen kann, weshalb die zwei Reisenden einige Male sogar ohne konkretes Ziel in den Zug einstiegen.

Nicht ohne Schlafsack

Dennoch hat das Reisen mit dem Zug auch Schattenseiten: "Es kann sein, dass du irgendwo ankommst, und nichts funktioniert: kein Anschlusszug, kein Bankomat, kein Zimmer." Wichtig sei, dass man sich schon vorab um Unterkünfte in den jeweiligen Zwischenstopps kümmert. Gerald empfiehlt deshalb, immer den Schlafsack mitzunehmen, auch ohne Camping-Absichten. "Mit so was muss man auf einer Interrail-Reise rechnen", spielt Gerald auf seine eigenen Erfahrungen an. Eine Nacht mussten er und sein Begleiter am Bahnhof verbringen.

Von solchen Reisepannen lassen sich Österreichs Jugendliche nicht abhalten. Im vergangenen Jahr wurden laut Pressesprecherin Katharina Gürtler 4.400 Interrail-Tickets verkauft: "Am häufigsten wird das Angebot von Studierenden genutzt." Auch SchülerInnen machen einen großen Teil der Zielgruppe aus. Das Angebot ist zwar nicht altersbeschränkt, die Tickets sind allerdings für Jugendliche bis zu 26 Jahren billiger.

Flexible Tarife

Bis vor kurzem waren die Interrail-Tarife nach Länderzonen gestaffelt, die wird es allerdings nach Auskunft von Gürtler nicht mehr lange geben: "Die neuen Tickets werden flexibler, die Reisenden müssen sich nicht mehr an bestimmte Zonen halten", verrät die Pressesprecherin über das neue Angebot. Die Zonen, von denen übrigens Zone G (Italien, Slowenien, Griechenland und die Türkei) die beliebteste war, werden abgeschafft. "Stattdessen bieten wir dann Ein-Länder-Pässe an, mit denen man beliebig oft innerhalb eines Landes in den Zug steigen kann", erklärt Gürtler. Die noch nicht veröffentlichten Preise variieren je nach Land und Aufenthaltsdauer.

Darüber hinaus wird es weiterhin den Global Pass geben. Das Ticket um 399 Euro ist für ein Monat in allen 30 Ländern des Interrail-Netzes gültig und beinhaltet unbegrenzte Fahrten. Nur im Wohnsitzland gilt der Pass nicht, dafür sind Fahrten innerhalb Österreichs um 50 Prozent ermäßigt.

Stolze Reise

"Man muss sich gut überlegen, ob sich eine Interrail-Tour auszahlt", rät Gerald. Auszahlen würde es sich auf jeden Fall, "wenn man nicht nur zwei, drei Städte besuchen will, sondern wirklich was von Europa sehen will." Auch wenn lange Zugreisen nicht für jeden geeignet sind: "Interrail ist eine der wenigen Formen von Urlaub, bei denen man nachher noch stolz auf seine Leistungen sein kann." (lis/derStandard.at, 4. März 2007)