Bugs

Das Gerät an sich ist schon ziemlich cool. Keine Frage. Und man kann vor allem mit diesem Musikabfrage-Dingsbums mächtig Eindruck schinden. Nur hat dieses Gimmick einen kleinen Haken. Aber der, verrieten jedenfalls die verdutzten Gesichter von Markus Breglec und Tim Vogel, wird wohl schon die erste Softwareüberarbeitung nicht überleben: Breglec und Vogel, führende Marketing- und PR-Köpfe von Sony Ericsson Westeuropa, waren Anfang Februar im angesagten Londoner Szene-Club "24" über diesen "Bug" gestolpert. Als sie dort das coolste Gimmick am neuesten Walkmanhandy aus ihrem Haus einer handverlesenen Schar europäischer Lifestyle-Journalisten präsentierten, waren sie sichtlich stolz, als den Journalisten die Augen weit offen blieben: Breglec und Vogel hatten ihre Handys nur kurz in die Höhe gehalten - und nach etwa zehn Sekunden war da am Display der Klappentext zu den jeweils gerade den Club bewummernden Songs erschienen: Titel, Interpret, Name des Albums.

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Effekt

"Wow!", entfuhr es dem Russen, der Spanierin, dem Tschechen, dem Kroaten und den drei Leuten von der BBC unisono - und Vogel lachte: "Und wenn ich damit angeben will, kann ich diese Info als SMS weitersenden." Wäre die Runde um den Telefon-PR-Mann nicht von Berufs wegen auf cool getrimmt gewesen, hätte an dieser Stelle wohl Applaus eingesetzt. Stattdessen hörte man aber den Schweizer Journalisten eine Frage stellen: "Und welche Taste muss ich drücken, um das auf meinem Handy zu speichern?" Breglec und Vogel schlief das Gesicht ein: "Hoppla, daran haben wir bisher gar nicht gedacht", sagten ihre Mienen.

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TrackID

Aber zum Glück war "TrackID" da noch nicht auf dem Markt: Das kostenlos werkelnde Musikerkennungsprogramm ist nämlich das Killerfeature auf dem W880i, dem neuen und ultraflachen Walkmanhandy von Sony Ericsson. Seit Anfang März ist es tatsächlich verfügbar: Die Lifestyle-Journalisten, die da eingeflogen worden waren, spielten Anfang Februar noch mit Prototypen.

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Hipness

Aber dass es ausgerechnet der Schreiber aus der Schweiz war, der den Denkfehler der Produktentwickler aufdeckte, war symptomatisch: Der Schweizer ist knappe 20 und schreibt für ein ziemlich angesagtes Skater- und Snowboardermagazin. Er ist also in seinem Alltag deutlich näher an jener Szene dran, die sich tatsächlich täglich mit Fragen wie "He, wie heißt denn dieser Song?" herumschlägt, als seine Mitdreißiger-Kollegen: Die führen die Floskeln "Hipness", "Cool" und "Jung" zwar auf dem Banner, leben und schreiben aber de facto längst in einem ganz anderen Universum. In einem Universum, in dem man etwa nicht als Erstes nach dem Preis eines neuen Tech-Tools fragt.

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Seufzen

Der Jungskater-Schreiber aber fragte. Und seufzte: Fast 600 Euro machen in seiner Zielgruppe aus einem stylishen "Must-Have" dann halt doch recht schnell ein sehnsuchtsvoll im Schaufenster oder beim schnöseligen, schon etwas angegrauten Porschefahrer am Nebentisch liegendes "Nice-to-Have". Aber andererseits, grinste der Youngster, habe jene Zielgruppe, die den Segen von Features wie TrackID wirklich zu schätzen wisse, so auch einen Vorteil: In der Zeit, die vergeht, bis die neue Technologie bei der sie dann tatsächlich anwendenden Nutzergruppe ankommt, sind die Kinderkrankheiten überstanden. Der banale Denkfehler mit dem nicht abspeicherbaren Musikabfrageergebnis werde wohl spätestens bei Version 1.2 behoben sein. Dass da die von TrackID erkannten Songs dann auch über eine (Bezahl-)Plattform herunterladbar sein würden, hatten die Sony-Manager im Übrigen schon vorher angekündigt: Manche Dinge übersieht man eben doch nicht.

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MP3

Mit dem W880i und dem darin gratis verfügbaren Musikerkennungsprogramm hofft das Unternehmen, das in den 80er-Jahren mit der Erfindung des Walkmans der Musik das Laufen beibrachte und den Kopfhörer zum Kleidungsstück machte, sich noch ein bisserl besser vor jene Tür zu stellen, vor der derzeit alle Mobiltelefonherstellern scharren. Denn Studien, die im Auftrag von Hardwareherstellern, Netzbetreibern und Jugend- und Trendforschern angefertigt wurden, sagen unisono, dass bei Teenagern das Kriterium "MP3-Player" das am meisten nachgefragte oder gewünschte Handy-Feature ist. Kein Wunder also, dass die Hersteller davon ausgehen, dass bis Ende dieses Jahres schon über die Hälfte aller Mobiltelefone auch als MP3-Player einsetzbar sein werden.

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Preise

Bis 2010 sollen acht von zehn Handys als Walkman einsetzbar sein. Die Marktpenetration, jubelt man in der Branche, schreite damit noch schneller voran als jene von Kamerahandys. "In den letzten zwölf Monaten", bestätigt One-Sprecher Florian Pollack die Studien der Hardwarehersteller, "ist der Anteil der Musikhandys massiv gestiegen. Derzeit halten sich Kamera und Musik in der Wertigkeit die Waage, bis zur Mitte des Jahres wird Musik die Nummer eins sein." Und schon heute, vermelden die Hersteller, verwendet jeder dritte Jugendliche sein Handy täglich als Soundmaschine - wenn es MP3s speichern und abspielen kann. Der Kampf um die Ohren ist ein Kampf um die Kids. Und die gewinnt man - neben mit den von Netzanbietern gestützten Hardwarepreisen - vor allem mit coolem Design & Assets, großem Speicherplatz und unkomplizierten Transfers zwischen PC und Handy: Die Zahlen- und Techkürzel-Bolzerei, mit der man die Vätergeneration in Technik-, IT- oder PS-Magazinen im- mer noch beeindrucken kann, ist der Zielgruppe, auf die es ankommt, längst egal. Was vor allem zählt, ist der Faktor "cool".

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Maßstäbe

Aber ist in Sachen Musik-Maschine da nicht doch der iPod das gültige Maß aller Dinge? Und: Wird Apple mit seinem unlängst vorgestellten iPhone den Telefonmarkt nicht aus der anderen Richtung aufrollen? Schon möglich - aber bestimmt nicht so rasch, wie es die etablierte und durch und durch erwachsene Zunft der Tech-Schreiber vorhersagt, meint auch One-Sprecher Pollack: "Hersteller platzieren Innovationen anfangs in den teuren Businessgeräten. Wenn der Preis keine Rolle spielt, greifen auch die Jugendlichen am liebsten zu diesen Handys. In der Realität dauert es aber etwa ein halbes Jahr, bis die günstigeren Geräte das auch können", weiß Pollack. Daran, dass sich diese Zyklen und Mechanismen mit den ersten, vermutlich frühestens im Spätherbst in Europa verfügbaren Apple-Mobiltelefonen gravierend verschieben werden, glaubt niemand.

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Connectivity

Und in Sachen "Connectivity" - also dem möglichst kurzen Weg zwischen Hören & Austauschen (oder Kaufen) von Musik und Bildern - wären Musikhandys dem Unipurpose-MP3-Player mittlerweile überlegen, ist Pollack überzeugt: "Für Jugendliche spielt auch der Preis eines Gerätes eine Rolle. Ein gestütztes Musikhandy ist deshalb das ideale Einstiegsgerät in die Welt der mobilen Musik." Dennoch gibt sich der Handy-Mann keinen Illusionen hin: "Musikhandys werden iPod & Co nicht so bald verdrängen." Nachsatz: "Aber in etwa zwei Jahren werden sie den iPod ein bisserl zwicken."

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Muster

Freilich: Bei aller Begeisterung über neue Features und die die Hersteller in Euphorie versetzenden Verhaltensmuster von techno-affinen Trendsettern und Early-Adoptern weisen Technikanwendungsforscher wie Reinhard Sefelin vom Wiener Usability-Zentrum "Cure" dann gerne auf jenes kleine Handy-Zusatztool hin, das den Namen "Killerapplikation" nach etlichen Studien immer noch als einziges "tatsächlich verdient: Der Wecker - den verwendet nämlich wirklich fast jeder. Nur käme kein Hersteller auf die Idee, ihn aktiv zu bewerben." (Thomas Rottenberg / DER STANDARD Rondo, 02.03.07)

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