Bild nicht mehr verfügbar.

Rapid-Fans randalierten, die Polizei schritt ein.

Foto: APA
Wien - Am Tag nach dem Derby im Horr-Stadion wurden die ersten Videos ausgewertet. Eine mühsame Arbeit, denn auf den Bildern werfen Menschen Sitzbänke, Böller und Stangen gen Polizisten, "Menschen, die wir nicht kennen, die wir noch nie gesehen haben. Bei einem Auswärtsspiel haben wir keinen Einfluss darauf, wer kommt." Andy Marek, seit 1992 bei Rapid tätig ("Der erste Schritt war, die Neonazis von den Tribünen zu bringen") und quasi die Stimme des Vereins, ist leicht angefressen. "Wir von den Klubs können nicht die Erziehungsberechtigten der Jugendlichen sein, da wird der Fußball überschätzt. Wir können nicht schaffen, woran Elternhaus und Schule scheitern."

Marek möchte sich weder "abputzen" noch die Vorfälle "schönreden". Gefragt sei aber schon auch die Exekutive. "Wenn einer mit einem Opel 180 Stundenkilometer fährt, muss er erwischt und bestraft werden. Aber man kann sich nicht an der Firma Opel schadlos halten." Anderes Beispiel: "Überführen wir einen, der eine Rakete abgeschossen hat, kriegt er zwei Jahre Stadionverbot. Die Strafe dafür beträgt 42 Euro. Wo liegt denn da die Verhältnismäßigkeit? Ich denke, wir sind streng genug."

Solidarität

Rückblick, Sonntagnachmittag im Horr-Stadion: In der 18. Minute wird Rapids Tormann Helge Payer von einer Leuchtrakete aus dem Austria-Sektor getroffen. Payer lässt sich nicht fallen, "weil es nicht geschmerzt hat". Die Partie muss wegen der Rauchentwicklung für drei Minuten unterbrochen werden. Vis-à-vis im Rapid-Sektor haben sich zwei Fans ohne Karten Zutritt verschafft, die (zu) pflichtbewussten Ordner stellen sie. Das führt zu einer Form von Solidarisierung, Rapidler lassen Rapidler nicht hängen. Zwei Stockbesoffene (keine Jugendlichen!) sind besonders blöd (aggressiv), es werden die ersten Bänke aus der Verankerung gerissen, die Solidarität steigert sich in den Wahnwitz, die Polizei schreitet ein. Bilanz: drei verletzte Beamte (ein Nasenbeinbruch), zwölf Festnahmen, 25 Anzeigen (Zahl wird sich erhöhen).

Am Montag jagte eine Wortmeldung die andere. Innenminister Günther Platter sagte zum Standard: "Es schadet dem Sportland Österreich. Man darf sich nicht gegenseitig den Ball, die Schuld zuschieben. Man muss die Vorfälle ernst nehmen, darf weder unter- noch übertreiben, die Macht der Bilder spielt da eine Rolle." Er, Platter, werde mit Klubs und Liga in Kontakt treten. "Es muss null Toleranz gegenüber Gewalttätern geben, die Hooligan-Datenbank gehört erweitert." Trotzdem setze die Exekutive "auf Dialog und Deeskalation. Durchgreifen bleibt das letzte Mittel." Für die EURO 2008 sieht der Minister keine Gefahren. "Das Sicherheitkonzept passt."

Die Osttribüne im Horr-Stadion ist übrigens für internationale Partien von der UEFA gesperrt. Dass man 2600 Rapid-Fans darauf Platz gibt, ist zumindest diskussionswürdig. Markus Kraetschmer, Austria-Manager, hält das für eine Themenverfehlung: "Wir wollen unseren Heimvorteil keinesfalls hergeben und uns nicht von solchen Leuten in die Knie zwingen lassen. Das Horr-Stadion ist behördlich und von der Bundesliga geprüft und lizenziert."

In Österreich gibt es laut Bundesliga derzeit nur 48 Stadionverbote (15 davon bei Rapid). Vorstand Georg Pangl: "Es ist unsere dringliche Aufgabe, jene Außenseiter, die sich unter die echten Fans mischen, rigoros zu bestrafen und mit allen rechtlich verfügbaren Mitteln langfristig aus den Stadien zu verbannen."

Augenmaß

Platter verteidigte das Vorgehen der Exekutive, sie habe mit "Augenmaß" gehandelt. Thomas Zlabinger, Sicherheitsbeauftragter der Bundesliga, widersprach dem sanft: "Von deeskalierenden Taktiken sah ich wenig." Michael Fanizadeh, Chef der Fair-Play-Kampagne, ging ins Grundsätzliche: "Dort, wo die Fans ernst genommen werden und integriert sind, funktioniert es am besten. Solche Sozialarbeitprogramme greifen aber eben nicht von heute auf morgen. Der Fußball-Fan per se ist nicht böse und gefährlich."

Die Austria hat das Derby übrigens 2:1 gewonnen, beide Klubs krebsen in den Tiefen der Tabelle, bleiben gefährdet. (DER STANDARD Printausgabe 6. März 2007, Christian Hackl)