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Foto:Peter Macdiarmid/Getty Images
Wien - Arbeitgeber müssen nach dem Arbeitszeitgesetz Aufzeichnungen über die von ihren Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit - Beginn und Ende der Arbeitszeit und der Pausen - führen. Da eine bloß händische Zeiterfassung oft fehleranfällig und ungenau ist, verwenden viele Unternehmen Zeiterfassungssysteme wie Stechuhren, Zeitstempeleinrichtungen oder Magnetkarten.

Anstelle dieser herkömmlichen Systeme wollte ein Krankenhaus eine neue Technologie einsetzen und installierte ein Fingerscansystem. An verschiedenen Zeiterfassungsterminals, vor allem in Eingangsbereichen des Krankenhauses, wurden über einen Fingerscanner die Fingerabdrücke der Mitarbeiter erhoben und eingescannt, um so die Kommen-und-Gehen-Zeiten der Arbeitnehmer zu kontrollieren. Eine Zustimmung des zuständigen Betriebsausschusses (gebildet aus Vertretern des Angestellten- und Arbeiterbetriebsrats) wurde hierfür nicht eingeholt.

Dieser klagte auf Unterlassung und beantragte in einer Art "Eilverfahren" eine so genannte einstweilige Verfügung, mit welcher dem Krankenhaus der Einsatz des biometrischen Zeiterfassungssystems (vorläufig) verboten werden sollte. In allen drei Instanzen bekam der klagende Betriebsausschuss recht.

Der Oberste Gerichtshof setzte sich in seiner Entscheidung (9 Ob A 109/06d vom 20.12.2006) zum ersten Mal mit der Zulässigkeit eines biometrischen Zeiterfassungssystems auseinander. Er beurteilte dieses System als Kontrollmaßnahme, die geeignet ist, die Menschenwürde der Arbeitnehmer zu berühren. Derartige Kontrollen bedürfen zwingend der Zustimmung des Betriebsrats in Form einer Betriebsvereinbarung.

Persönlichkeitsrechte Ein Arbeitgeber habe zwar das Recht, die Arbeitsleistung seiner Arbeitnehmer zu kontrollieren, doch Arbeitnehmern stehe das Recht auf Unversehrtheit der Intimsphäre auch während der Arbeitserbringung zu. Entscheidend sei die Intensität der Kontrolle - also Art, Dauer, Umfang, Sensibilität der erfassten Daten. Die Interessen des Arbeitgebers an einer Mitarbeiterkontrolle und an Schutz und Sicherung seines Eigentums seien gegen die Interessen der Arbeitnehmer an der Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte - z. B. das Recht am eigenen Bild und der Datenschutz - abzuwägen. Der Arbeitgeber müsse das schonendste, noch zum Ziel führende Kontrollmittel wählen.

Menschenwürde Nach Ansicht des OGH berühren übliche Zeiterfassungssysteme (Stechuhren, Magnetkarten) die Menschenwürde des einzelnen Arbeitnehmers nicht, sofern dadurch nicht ein (exaktes) Bewegungsprofil des Arbeitnehmers erstellt werden kann. Derartige Systeme könnten daher ohne Zustimmung des Betriebsrats eingeführt werden. Bei dem Fingerscanner-System ist jedoch die Eingriffs- und Kontrollintensität durch Abnahme und Verwaltung von Fingerabdrücken so beträchtlich, dass die Menschenwürde berührt wird. Die Kontrolle der Kommen-und-Gehen-Zeiten sei ein "vergleichsweise triviales Ziel", betont der OGH des Weiteren.

Ob diese Entscheidung ein absolutes "Nein" für biometrische Systeme bedeutet, ist damit noch nicht gesagt. Zum einen wäre die Einführung derartiger Systeme mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig. Zum anderen können Systeme, die biometrische Daten erfassen, auch so ausgestaltet sein, dass die Verfügungsgewalt über die personenbezogenen Daten allein beim Arbeitnehmer liegt und kein unmittelbarer Personenbezug hergestellt wird - etwa bei einem Zutrittskontrollsystem, das nur zwischen "berechtigter" und "unberechtigter" Person unterscheidet, aber keine Zuordnung zu einer konkreten Person ermöglicht. Die Vorteile biometrischer Systeme - Betriebssicherheit, keine Diebstahl- und Manipulationsmöglichkeit - erkannte der OGH jedenfalls an. Auch der Unternehmensbereich spielt eine Rolle. So sollte das Höchstgericht keine Einwände gegen strengere Zutrittskontrollen im Bankensektor haben. Der OGH hielt fest, dass er nicht eine neue Technologie verhindern, sondern die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats sichern wollte. (Barbara Bartlmä, DER STANDARD Printausgabe 06.03.2007)