Führungsebene Tabu
Ob Professorin, Leibköchin, Webmasterin oder Sozialarbeiterin - bisher sind es nur eine Handvoll Frauen, die im Vatikan mehr oder minder leitende Funktionen ausüben. Doch allmählich zeichnet sich ein Wandel ab. Inzwischen sind laut Kathpress rund 15 Prozent der päpstlichen Angestellten weiblich: Frauen leiten Archive, pflegen die Kunstschätze, beraten als Sachverständige, übernehmen Verantwortung. Allerdings sind sie in der Führungsebene des "Unternehmens" Weltkirche noch Ausnahmen wie die Harvard-Professorin und Chefin der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften, Mary Ann Glendon.
Eine Frau als Sottosegretario
Höher jedoch als Enrica Rosanna hat es im Vatikan noch keine geschafft: Ihr spröder Titel "Vizesekretär" (Sottosegretario) entspricht immerhin einem Staatssekretär/einer Staatssekretärin einer weltlichen Regierung. Mitte der 90er Jahre holte der damalige italienische Unterrichtsminister Luigi Berlinguer die Ordensfrau und Soziologin in seinen Expertinnen/Expertenrat. 2004, als sich Schwester Enrica gerade in Kenia auf ein Lehrsemester an der Uni vorbereitete, kam der Ruf vom damaligen Papst Johannes Paul II. Seitdem wirkt sie in der vatikanischen Ordenskongregation, die für die rund eine Million Ordensleute zuständig ist - vier Fünftel darunter Frauen. So sehr Rosanna an einen weiblichen Führungsstil glaubt, so wenig hält sie von Frauenquoten: Einfach der oder die beste solle ans Ruder, sagt sie.
Recherche über nachdrängende Frauen im Vatikan
Über Frauen wie diese hat Gudrun Sailer von Radio Vatikan ein Buch geschrieben: "Frauen im Vatikan - Begegnungen, Porträts, Bilder". Sie gehört damit zu den wenigen Medienleuten, die sich ungehindert mit Mikrofon und Schreibblock im "Stato della Citta' del Vaticano" bewegen dürfen. Leise und bestimmt stellt sie sich solchen Herren in den Weg, die dazu neigen, Frauen zu übersehen, und die es auch unter Gottesmännern gibt. "Aber darüber wollte ich nicht schreiben", sagt sie. "Mein Anliegen ist: zeigen, was für hoffnungsvolle, nachdrängende Frauen es im Vatikan gibt".
Benedikt XVI: "Berechtigte Frage"
Dem Thema Frauenförderung steht auch Papst Benedikt XVI. nicht gleichgültig gegenüber. In einer Begegnung mit Klerikern hob er einmal hervor, es sei eine "berechtigte Frage, ob man Frauen nicht auch im Leitungsdienst der Kirche mehr Raum und mehr verantwortliche Positionen bieten" könne. In einem TV-Interview gestand er zu, dem Weiblichen in der Kirche "wie es sich gehört" den rechten Platz einzuräumen.
Lapidarer Satz im Kirchenrecht
Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis wird es in den Büroetagen des Vatikan auf absehbare Zeit nicht geben. Grund ist der lapidare Satz im Kirchenrecht, dass die Priesterweihe "gültig nur ein getaufter Mann" empfängt - und viele Posten in der Schaltzentrale der katholischen Kirche sind zwangsläufig oder traditionell für Kleriker reserviert. Immerhin ein Anfang ist gemacht, seit Johannes Paul II. die Archäologie-Professorin Letizia Pani Ermini als Leiterin der Päpstlichen Römischen Akademie für Archäologie berief. Das war 2003.
Kurswechsel?
Frauen sollten jedoch in gesellschaftliche Entscheidungsprozessen stärker eingebunden werden, ließ der Vatikan-Vertreter Erzbischof Celestino Migliore vor der UN-Generalversammlung in New York die Anwesenden wissen. Nach Auffassung des Heiligen Stuhls wäre dieser Schritt nicht nur aus Gleichheitsgründen notwendig, sondern auch aufgrund der spezifischen Sichtweisen, die Frauen beitragen können: "Dieser 'weibliche Genius' wird sich als höchst wertvoll erweisen", so der Erzbischof. Frauen könnten in wachsendem Maß eine Rolle bei der Lösung der ernsten Probleme spielen, vor denen die Welt steht. Die Stärkung der Frauen bedeute auch gleichen Lohn für gleiche Arbeit, Fairness bei Aufstiegschancen und Gleichberechtigung von Eheleuten in Familienrechten. Ebenso müssten Frauen, die sich zu einer Aufgabe als Hausfrau und Mutter entschließen, geschützt werden, so der Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen in New York.
Unterschied der Geschlechter anzuerkennen