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SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda.

Foto: APA/Schlager
Wien - Anders als die Regierungsspitze bewertet Umweltminister Josef Pröll den EU-Klimagipfel auch kritisch. Er bezeichnete das Atomenergie-Lobbying als "Wermutstropfen". Er sei mit den Klimazielen "zufrieden", das Ergebnis des EU-Gipfels sei gut und "ein wichtiger Impuls", allerdings hätte verschiedene Länder ihre Spuren verankern können, sagte Pröll am Samstag in der Ö1-Radioreihe "Im Journal zu Gast".

Man habe weitergehende Forderungen verhindert, "aber der Fuß ist in der Tür". Man müsse achten, dass es künftig um Sicherheit gehe. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hatte den Gipfel als "großen Erfolg" gefeiert und in Abrede gestellt, dass es einen "Atombonus" für Frankreich gegeben habe. Auch Außenministerin Ursula Plassnik sah keine positive Bewertung der Atomkraft.

Auf das schlechte Ergebnis Österreichs bei den Kyoto-Zielen angesprochen meinte Pröll, "wir müssen uns noch mehr anstrengen, weil wir unseren Zielpfad verlassen haben". Die EU hatte sich darauf geeinigt, bis 2020 den Anteil der erneuerbaren Energie von derzeit rund sechs auf 20 Prozent zu erhöhen und den Ausstoß der Treibhausgase um 20 Prozent zu senken. Als drittes Ziel soll bis 2020 der Energieverbrauch um 20 Prozent reduziert werden.

Swoboda: Positive Rolle Wiens

"Die österreichische Bundesregierung hat mit ihrem Drängen auf verbindliche Ziele bei Klimaschutz und Energiepolitik eine positive Rolle beim EU-Gipfel eingenommen und richtig gehandelt", erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SPE-Fraktion und SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda am Freitag zum Ergebnis des EU-"Klimagipfels". Es sei allerdings bedauerlich, dass die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union diese wichtigen Themen nicht schon früher aufgegriffen hätten. "Auch dass der französische Präsident Jacques Chirac bei seinem letzten EU-Gipfel Frankreichs Interessen unverblümt zuoberst reiht, ist absolut kritikwürdig", betonte Swoboda, Mitglied des Energieausschusses des Europaparlaments, gegenüber dem SPÖ-Pressedienst.

"Regierungen, die wie Frankreich die Atomenergie favorisieren, sollten auf ihre Propaganda verzichten. Sie haben vielmehr dafür zu sorgen, dass man innerhalb der EU gemeinsame und verbindliche Sicherheitsnormen auf höchstem Niveau erreicht. Dazu gehört auch eine vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbare umfassende Informationspflicht", so Swoboda. Keine Regierung sollte künftig mehr versucht sein, bei nuklearen Störfällen auf verzögerte Information oder Verschleierung zu setzen.

Voggenhuber: "Völlig falsche Richtung"

Für den Grünen Europasprecher Johannes Voggenhuber blieb der EU-Gipfel "am unteren Ende der Erwartungen und weit davon entfernt, der Initiator einer 'dritten technischen Revolution' zu werden", wie das Angela Merkel "hinausposaunt" habe. Das Ergebnis bleibe weit unter den Forderungen des Europäischen Parlaments mit 30 Prozent Reduktion der CO2-Emmissionen und 25 Prozent Anteil der Erneuerbaren Energie bis 2020. "Dabei ist noch zu berücksichtigen, inwieweit sich noch Pferdefüße in den einzelstaatlichen Regelungen verbergen", so der EU-Parlamentarier skeptisch.

Dass der EU-Rat die Bewertung der EU-Kommission zur Kenntnis genommen hat, wonach Nuklearenergie einen Beitrag zur Energieversorgungssicherheit und zur CO2-Reduktion leisten kann, gehe "in die völlig falsche Richtung. Damit versucht man allen Ernstes die Atomenergie der Erneuerbaren Energie gleichzustellen und damit die Strategie einer Rehabilitierung der Atomenergie weiter voranzutreiben", kritisiert Voggenhuber. Hier müsse ernsthaft bezweifelt werden, ob Bundeskanzler Gusenbauer sein Versprechen eingelöst hat, dass vom Gipfel "kein europäisches Signal" ausgehen dürfe, und er "keine Formulierung akzeptieren werde, die der Nuklearenergie mehr Gewicht einräume".

FPÖ erfreut

Erfreut hat sich die FPÖ über den Entwurf für die Schlussfolgerungen des EU-Gipfels geäußert. Dieser sieht ein verpflichtendes Ziel von 20 Prozent für Erneuerbare Energien in der EU bis 2020 vor. "Sollte das so beschlossen werden, dann ist das mehr, als ich mir erwartet habe", erklärte FPÖ-Umweltsprecher Norbert Hofer am Freitag in einer Aussendung. Der deutschen Kanzlerin und amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Angela Merkel wäre dann zu gratulieren. Äußerst skeptisch zeigte sich der Nationalratsabgeordnete hinsichtlich der "offenbar ebenfalls akkordierten Maßnahmen für eine Renaissance der Atomkraft". Das vorhandene Einsparungspotential sei enorm und müsse genutzt werden, "um diesen völligen falschen Schritt zu verhindern."

"Wir brauchen vor allem thermische Sanierungsoffensiven im Wohnbau. Dies nützt den Menschen, weil die Energiekosten sinken. Es nützt den Staaten, weil der Bau neuer Kraftwerke nicht notwendig wird. Es nützt der Bauwirtschaft, die von den Sanierungsmaßnahmen profitieren wird und es nützt dem Arbeitsmarkt, weil Sanierungsmaßnahmen sich nicht von selbst erledigen. Es ist daher klüger, Geld, das in den Bau neuer Kraftwerke, die Lagerung von Atommüll und für Risikovorsorge verwendet wird, in diese Sanierungsoffensive zu stecken", erklärte Hofer.

Greenpeace: "Kein Kniefall vor französischer Atomlobby"

Die Umweltorganisation Greenpeace hat an Bundeskanzler Alfred Gusenbauer appelliert, einen "Kniefall vor der Atomlobby nicht zuzulassen". Auf Wunsch Frankreichs solle die Atomenergie nun doch als Klimaschutzmaßnahme anerkannt werden. "Das wäre ein skandalöser Kniefall vor den Interessen der französischen Atomlobby, und Bundeskanzler Gusenbauer darf einem derartigen Deal keinesfalls zustimmen", forderte Greenpeace-Energiesprecher Jurrien Westerhof in einer Aussendung.

"Das Problem des Klimawandels mit der gefährlichen und nicht nachhaltigen Atomkraft lösen zu wollen, hieße, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben zu wollen. Es ist bezeichnend, dass keine einzige Versicherungsgesellschaft auf der ganzen Welt bereit ist, das Risiko eines nuklearen Unfalls zu tragen. Abgesehen davon ist die Atommüll-Frage nach wie vor ungelöst. Um den Klimawandel zu stoppen, müssen wir Energie sparen statt zu verschwenden, und im Weiteren auf erneuerbare Energien setzen", so Westerhof.

GLOBAL 2000 und die weiteren Mitgliederorganisationen des "Friends of the Earth"-Netzwerkes forderten die Staats- und Regierungschefs der EU dazu auf, weit reichende und gesetzlich verbindliche Maßnahmen zur Bekämpfung der voranschreitenden Erderwärmung zu setzen. "Klimaschutz muss ernst genommen werden", so GLOBAL 2000 Klima- und Energiesprecherin Silva Herrmann. "Die Treibhausgase in der EU müssen bis 2020 um ein Drittel und bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent reduziert werden. Die Zielvorgabe eines Anteils von 20 Prozent an erneuerbaren Energien sei aus Klimaschutzsicht unzureichend. GLOBAL 2000 forderte Kanzler Gusenbauer dazu auf, sich "für die Anhebung des Zielwertes auf 25 Prozent stark zu machen und dies auch verbindlich festzuschreiben."

Karas: Erster Schritt in richtige Richtung

Als einen ersten wichtigen Schritt in die richtige Richtung sieht der ÖVP-Delegationsleiter im Europäischen Parlament, Othmar Karas, den Ausgang des Gipfels. "Mit einem verpflichtenden Ziel von 20 Prozent für erneuerbare Energie und 20 Prozent C02-Reduzierung in der EU bis zum Jahre 2020 wurde ein guter Beginn für eine gemeinsame Energie- und Klimapolitik gesetzt", erklärte er am Freitag in einer Aussendung.

"Es werden aber noch viele Anstrengungen und gemeinsame Aktionen - von konkreten, nationalen Aktionsplänen, einer Forschungs- und Energiesparoffensive bis zu zweckgebundenen Fördermaßnahmen - nötig sein. Nur mit einem Gesamtpaket können alle Wachstums- und Beschäftigungs-politischen Effekte erzielt werden. Dazu ist es notwendig, dass die politische Dynamik erhalten bleibt, sich weiter entfaltet und künftig zu noch besseren Resultaten führt", betonte Karas.

"Österreich nimmt im Klimaschutz und einer Strategie für erneuerbare Energien sicherlich eine Vorreiterrolle in der EU ein. Ich begrüße daher sehr, dass die Atomkraft im heutigen Entwurf nicht explizit unter dem 'erneuerbaren Energiemix' eingereiht wurde", so der Umweltsprecher der ÖVP-Delegation, Richard Seeber.

Westenthaler: "Lauwarmer Kompromiss"

BZÖ-Chef Peter Westenthaler hat Gusenbauer einen "Kniefall vor der Atomlobby" vorgeworfen. Der Regierungschef habe sich beim EU-Gipfel mit "seiner groß angekündigten Anti-Atom-Linie nicht durchsetzen können", erklärte Westenthaler am Freitag in einer Parteiaussendung. "Es gibt keinerlei Maßnahmen gegen Atomkraftwerke, nun ist eine Renaissance der Nuklearenergie in Europa zu befürchten". Gusenbauer könne sich "ganz offensichtlich bei der Vertretung der österreichischen Interessen nicht durchsetzen, was bereits sein Abblitzen in Prag bezüglich Temelin gezeigt" habe. "Der Kampf gegen den Todesreaktor Temelin hat einen massiven Dämpfer bekommen."

Die Einigung über eine CO2-Reduktion bezeichnete Westenthaler als "lauwarmen Kompromiss". "Von den "vollmundigen Ankündigungen" Gusenbauers bei der Europa-Debatte im Parlament sei "offenbar nichts außer Luftblasen übrig geblieben", so der BZÖ-Chef, der von einem "zahnlosen Beschluss" spricht.

Das "einzig Positive am Scheitern der Bundesregierung in Brüssel" sei, dass es Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) "offenbar nicht zustande gebracht haben, die EU von der Einführung einer generellen Kerosinsteuer zu überzeugen und damit Flug-Pauschalreisen massiv zu verteuern und Arbeitsplätze zu vernichten".

Biomasseverband begrüßt Klimaschutzziele

Der Biomasseverband begrüßte in einer ersten Reaktion die Ziele der EU, den Anteil von erneuerbaren Energiequellen wie Wind, Wasser, Solar und Biomasse von derzeit rund sechs Prozent auf durchschnittlich 20 Prozent bis 2020 anzuheben. Für Verbands-Vorsitzenden Heinz Kopetz ist "ein großer Durchbruch" gelungen, wie er Freitagnachmittag zur APA sagte.

Probleme könnten sich seiner Meinung nach bei der Aufteilung der entsprechenden Quoten für die einzelnen Mitgliedsländer ergeben. "Die Lastenverteilung wird noch heftig umstritten sein", so Kopetz.

Österreich habe bereits im Regierungsprogramm festgeschrieben, den Anteil erneuerbarer Energien auf 45 Prozent bis 2020 bzw. 25 Prozent bis 2010 erhöhen zu wollen. Kopetz geht also davon aus, dass die Verhandler für Österreich nicht unter das im Regierungsprogramm festgeschriebenen Ziel zurückgehen werden. Laut Biomasseverband liegt Österreichs Anteil an erneuerbaren Energiequellen derzeit bei 22 Prozent. (APA)