Stephen Kings neuer Coup, erstmals einen Thriller in Eigenregie ohne Verlag kapitelweise ausschließlich im Internet zu publizieren, scheint zu gelingen. Bereits am ersten Tag der Veröffentlichung luden sich mehr als 40.000 Leser das erste Kapitel des Thrillers "The Plant" (Die Pflanze) von der Webseite des Horror-Autors (www.stephenking.com) herunter. Vier von jeweils fünf Lesern bezahlten, wie von King gefordert, freiwillig einen Dollar (1,072 Euro/14,7 S) per Kredikarte oder Scheck über den Onlineverkäufer Amazon.com direkt an den amerikanischen Bestsellerautor. Dessen US-Verlag Simon & Schuster ist nicht beteiligt und geht leer aus.

Mit "The Plant" schließt ein Schriftsteller seinen Verlag erstmals ganz und gar von der Veröffentlichung eines größeren Werks aus. Das Experiment könnte zumindest unter Bestsellerautoren eine Welle in Bewegung setzen und Verlagen einmal erhebliche Verluste einbringen, spekulierten US-Medien am Dienstag. "Verleger würden nichts lieber sehen, als dass dieser Versuch platzt", sagte King am Montag im Rahmen der TV-Sendung "Today Show" des Netzwerksenders NBC.

Der Kultautor erklärt seinen Lesern auf der Webseite klipp und klar, er werde nur dann das nächste Kapitel online veröffentlichen, wenn wenigstens 75 Prozent freiwillig den Preis für den Download des ersten Kapitels zahlen. Sollte dies nicht geschehen, dann werde er aufhören. King äußerte im Voraus Zweifel, dass das Experiment klappen werde. "Ich weiß nur, dass ich eine verdammt gute Geschichte zu erzählen habe, und wenn ihr mich bezahlt, dann erzähle ich sie."

Mit einer Rate von 78 Prozent freiwilligen Zahlern am ersten Verkaufstag können seine Fans nunmehr auf die Fortsetzung hoffen.

Bereits vor wenigen Monaten hatte der Gruselautor neue Wege beschritten, als er das Buch "Riding the Bullet" nur als elektronische Ausgabe veröffentlichte. Das Buch konnte ebenfalls herunter geladen werden und mit Hilfe eines so genannten e-book gelesen werden. Dabei war sein Verlag aber am Gewinn noch beteiligt gewesen. Das Buch wurde mehr als 500 000 Mal verkauft.

Deutsche Verlagsvertreter äußerten sich im Südwestrundfunk gelassen über das Projekt, das nach ihrer Einschätzung die Branche nicht ernsthaft gefährden könne. Eine Gefahr für den deutschen Buchmarkt sehe er durch Stephen Kings neues Internet-Projekt nicht, sagte Peter Wilfert vom Rowohlt Verlag (Reinbek). "Die Brisanz dieses Unternehmens wird umso mehr abnehmen, je mehr Autoren Kings Beispiel folgen. Denn dann werden wieder die Verlage gefragt sein, ihre Filterfunktion wahrzunehmen und ihr Marketing-Know-How einzusetzen." Auch die Übersetzung und der internationale Vertrieb der Werke seien klassische Verlagsaufgaben, die Autoren niemals allein bewältigen könnten, erklärte Rainer Just vom Klett Cotta Verlag (Stuttgart). "Ich frage mich schon, wie das ein Herr King machen will, wenn sein Buch überhaupt nicht in Papierform erscheint."

Rainer Moritz von Hoffmann und Campe (Hamburg) verwies darauf, "dass das Kingsche Verfahren ohnehin auf Autoren mit sehr großer Fan- und Internetgemeinde beschränkt ist. Das heißt für uns: Einzelne Autoren werden künftig sicherlich mit mehreren ihrer Werke so vorgehen. Eine Gefahr für das Buch im herkömmlichen Sinn sehe ich jedoch nicht."

Der Verleger Klaus Wagenbach räumte dem Kingschen Internet-Modell schon allein wegen der freiwilligen Honorierung durch die Nutzer wenig Chancen ein. "Warten wir doch erst einmal ab, wie viel ehrliche Leute es gibt und wie viel es vor allem in Zukunft geben wird bei einem solch schnelllebigen Medium wie dem Internet", gab der Berliner Verleger zu Bedenken. (red/APA)