"Die Schlacht um Lateinamerika hat begonnen", schrieb der mexikanische Politologe und Ex-Außenminister Jorge Castaneda anlässlich des Bush-Besuches in der Zeitung El País. In dieser Auseinandersetzung geht es nicht so sehr darum, ob die USA ihren verloren gegangenen Einfluss und die Vorherrschaft ihres neoliberalen Wirtschaftsmodells zurückerobern können - die Chancen dafür sind abseits der eng verbündeten konservativen Regierungen von Kolumbien und Mexiko minimal.

Interessanter ist dagegen die Frage, ob Hugo Chávez dank seines Ölreichtums tatsächlich in weiten Teilen Lateinamerikas seinen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" realisieren kann, der sich laut Castaneda durch eine Staatswirtschaft mit hohen Sozialleistungen, eine Präsidentschaft auf Dauer, die mit Verordnungen regiert, und endlose Streitigkeiten mit Washington auszeichnet.

Leise Kritik an Chávez Auffallend ist, dass kaum jemand, auch nicht Lula, der von Bush besuchte gemäßigt linke Präsident Brasiliens, Chávez offen kritisiert. Nur hinter vorgehaltener Hand beklagen brasilianische Diplomaten, dass die nach Venezuelas Vorbild in Bolivien erfolgten Erdgas-Verstaatlichungen vor allem brasilianische Investoren getroffen hätten.

Anders als in früheren Dekaden vertraut mittlerweile fast überall in Lateinamerika die Bevölkerungsmehrheit auf die Demokratie als die beste Form von Regierung und Konfliktlösung.

In Venezuela glauben laut der angesehenen Studie "Latinobarómetro" 70 Prozent an die Demokratie (in Brasilien sind es dagegen nur 46 Prozent).Die höchste Bekennerschaft zur Demokratie gibt es mit 77 Prozent im kleinen Uruguay, wo mit der Frente Amplio ein Bündnis regiert, in dem auch Angehörige der früheren Guerillatruppe Tupamaros mitmachen. Dennoch steuert Uruguays Präsident Tabaré Vázquez einen gemäßigten Kurs. Er lud sogar George Bush auf die Präsidentenranch ein (während in Montevideo gegen Bush demonstriert wurde).

Uruguay fühlte sich schon früher in der von Brasilien und Argentinien beherrschten Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur benachteiligt. Daran hat sich nichts geändert, seit Chávez versucht, Mercosur nach seinen gegen den globalen Freihandel gerichteten Vorstellungen umzumodeln.

Schon Ende Jänner hat Uruguay deshalb mit den USA ein Handels- und Investitionsabkommen unterzeichnet. Hoffnung auf weitere Schritte zu einem Freihandelsabkommen machte Bush jedoch zunichte. (Wegen der neuen Mehrheit der dem totalen Freihandel gegenüber skeptischen Demokraten im US-Kongress wäre ein Freihandelsvertrag auch kaum durchsetzbar.)

Als enger Verbündeter stellte sich auf Bushs Reise bisher lediglich Kolumbiens konservativer Präsident Álvaro Uribe dar. Allerdings verbrachte Bush dort nur einige Stunden im streng bewachten Präsidentenpalast in Bogotá. Eine Übernachtung ihres Chefs in Kolumbien wollten Bushs Berater nicht riskieren.

Kolumbien hat seit 2002 mehr als vier Milliarden Dollar an US-Hilfe bekommen, die vor allem im Kampf gegen die Guerilla und gegen Drogengangster eingesetzt wurde. Doch die Guerillatruppe Farc ist weiterhin so stark, dass sich Uribe kürzlich zu Verhandlungen bereit erklärte. Und noch immer geht der Großteil des Kokains, das in Kolumbien produziert wird, in die USA.

Uribes Wunsch nach mehr Hilfe steht entgegen, dass Verbindungen von seinen Parteigängern zu rechten Paramilitärs aufgeflogen sind. Der US-Kongress hat zusätzliche Hilfe von einer Verbesserung im Bereich der Menschenrechte abhängig gemacht. (Erhard Stackl/DER STANDARD, Printausgabe, 13.3.2007)