Früher Stunden, heute Sekunden
Ehemals hätten solche Komplettuntersuchungen per Computer- oder Magnetresonanztomographie stundenlang gedauert. Heute nehmen MRT-Scanner mit bis zu 72 Spulen gleichzeitig auf, CT-Geräte tasten 64 Schichten gleichzeitig ab, im Laborversuch bereits 256. Auch die Rotoren, die die Aufnahmeeinheiten zur Erzeugung der Schnittbilder um den Patienten herumbewegen, konnten inzwischen wesentlich beschleunigt werden. Immer mehr MRT-Geräte arbeiten mit der Technik der "parallelen Bildgebung" sowie einer Feldstärke von drei Tesla statt der bisher gewohnten 1,5 Tesla, was schärfere Bilder in ebenfalls kürzerer Zeit bedeutet.
Paradigmenwechsel
Das Resultat: Heute dauert es nur noch 40 Sekunden, um das Innenleben eines ganzen menschlichen Körpers per "Total Body Scan" (TBS) für die behandelnden Ärzte sichtbar zu machen. "Das hat zu einem kompletten Paradigmenwechsel in der Diagnostik geführt", erläuterte Maximilian Reiser, Direktor des Instituts für Klinische Radiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Bisher mussten wir Ärzte unsere Fragestellung am Beginn genau umschreiben, zum Beispiel 'Schmerzen im Bereich des Oberbauchs'. Heute können wir gleichsam auf Verdacht in kürzester Zeit den ganzen Körper durchchecken. Das ist vor allem für systemische Erkrankungen, die ihre Auswirkungen überall im Körper zeigen können, ein Quantensprung."
Röntgenbelastung und Kosten
Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass geschäftstüchtige Radiologen in den westlichen Industriestaaten Patienten teilweise massenhaft und für noch immer beträchtliche Kosten durch die Scanner schicken. Nicht zu vergessen ist zumindest bei der Computertomographie auch die weiterhin bestehende Röntgenbelastung. Die Anwendungsbereiche dieser Errungenschaft sind jedenfalls vielfältig, "von lebensrettenden bis hin zu solchen, deren Sinn hinterfragt werden muss", so Reiser.
Die wichtigsten "Total Body Scan"-Anwendungen
- Polytrauma: Nach schweren Unfällen, bei denen mehrere Organsysteme gleichzeitig verletzt sind oder zumindest sein könnten, zeigt ein einziger Untersuchungsdurchgang etwa Knochenbrüche, Wirbelsäulenverletzungen, Gehirnblutungen, Lungeneinrisse, einen Pneumothorax, Einblutungen in den Herzbeutel oder Zerreißungen und Blutungen innerer Organe. Kurz: alles, was unerkannt rasch zum Tod führen würde. "TBS erhöht so nicht nur die Überlebensrate, sondern auch die Überlebensqualität, weil oft nur dort eine vollständige Rehabilitation möglich ist, wo der Schaden in der ersten Stunde nach dem Trauma richtig erkannt und die Behandlung begonnen worden ist", sagte der deutsche Experte.
- Krebsdiagnose: Erst TBS macht es möglich, allfällige Metastasenbildungen überall dort zu erkennen, wo sie auftreten.
- Magnetresonanzangiographie: Die MRI ermöglicht die Beurteilung des gesamten Gefäßsystems inklusive des Herzens bei Atherosklerose, lässt damit die Gefährdung durch Schlaganfall und Herzinfarkt erkennen und bringt auch übersehene Infarkte ans Tageslicht.
- Rheumatische Gelenkserkrankungen wie zum Beispiel die Psoriasis-Arthritis lassen sich mit TBS frühzeitig erkennen und vollständig diagnostizieren. Entzündungsherde können entdeckt werden, noch bevor der Patient überhaupt Beschwerden hat. Effektive Behandlungen, zum Beispiel mit TNF-Inhibitoren, können damit frühzeitig beginnen und Leid und Kosten gespart werden.
- Virtuelle Autopsie: Auch zur Bestimmung der Todesursache können zunehmend die modernen bildgebenden Verfahren eingesetzt werden. Das gilt auch für die Gerichtsmedizin.
Ganzkörper-Scan nicht für jeden nötig