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Wladimir Putin bei Papst Ratzinger

Foto: AP/Medichini
Rom/Moskau - Konnte Russlands Präsident Wladimir Putin bei seinen zwei Treffen mit Papst Johannes Paul II. auf Russisch kommunizieren, kam er am Dienstag im Vatikan in der ersten Begegnung mit Benedikt XVI. diesem mit fließendem Deutsch entgegen. Sehr geholfen haben die Sprachkenntnisse bisher freilich nicht, die Spannungen zwischen der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) und dem von ihr seit 1054 getrennten Rom zu überwinden.

Am Veto der ROK scheiterte bisher ein Papstbesuch in Russland. Beobachter vermuten, dass Putin vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit doch noch als Initiator eines interreligiösen Dialoges in die Geschichte eingehen will. Die ROK wirft den Katholiken Proselytismus, Abwerbung orthodoxer Gläubiger, vor. Rom hat dies stets dementiert. Die russische Angst ist ob der nur rund 600.000 Katholiken im Land ohnehin eher irrational. Trotz verfassungsmäßiger Gleichheit aller Religionen sieht die ROK Russland als ihr kanonisches Territorium.

Extremistische Gefahr

Die Differenzen eskalierten Anfang 2002, als Rom seine provisorischen Administraturen in Russland in den Status von Diözesen erhob. In den Folgemonaten wurden Priester und ein Bischof zu "personae non gratae" erklärt, die katholische Kirche plötzlich gar als extremistische Gefahr für Russlands Sicherheit genannt.

Die Zeichen stehen auf Abwehr pluralistischer Einflüsse. Und hier weiß sich die ROK eins mit den Militärs und einem beträchtlichen Teil im politischen Establishment. Hat sie die sowjetische Nähe zum KGB nie aufgearbeitet, so hat sie unter Putin wieder ein besonderes Naheverhältnis zum Staat entwickelt.

Dazu passen Umfragen, denen zufolge sich weitaus mehr Bürger zur Orthodoxie bekennen als an Gott glauben, geschweige denn aktive Gläubige (drei bis fünf Prozent) wären. Ein Etappensieg in ihrem Vormarsch gelang der ROK in diesem Schuljahr, als in vier Regionen der verpflichtende Unterricht der "Grundlagen der orthodoxen Kultur" eingeführt wurde.

Politisch passt sich die orthodoxe Kirche der jeweiligen Konjunktur an. Als gesellschaftliches Korrektiv versteht sie sich nicht.

War eine Entspannung mit Rom zur Zeit des polnischen Antikommunisten Johannes Paul II. für die ROK undenkbar, so stößt sich Moskau jetzt wenigstens nicht mehr an der Person des Papstes, den es für weniger missionarisch hält. Zuletzt wurden immerhin regelmäßige Konsultationen institutionalisiert. Ein Treffen des Papstes mit dem Oberhaupt der ROK, Alexi II., hat Putin freilich nicht initiiert. Unter Insidern kursiert ohnehin die Vermutung, dass der potentielle Nachfolger des kranken und alten Alexi II. mit einer Aussöhnung in die Kirchengeschichte eingehen will. Favorit ist der mächtige und pragmatische Metropolit Kirill von Smolensk. (Eduard Steiner/DER STANDARD, Printausgabe, 14.3.2007)