"Echter Meidlinger und vornehmer Akademiker": Harald Leupold-Löwenthal 1926–2007

Foto: Rudolf Semotan
Wien – "Eigentlich wollte ich Ornithologe werden", verriet Harald Leupold-Löwenthal vor gut einem halben Jahr in einem Fernsehporträt anlässlich seines 80. Geburtstags. Entschieden hat er sich dann aber doch für den Menschen: Leupold-Löwenthal wurde Facharzt für Psychiatrie und Neurologie. Zudem war er in freier Praxis als Lehranalytiker tätig, wurde zum Mitbegründer der 1968 ins Leben gerufenen Sigmund-Freud-Gesellschaft und fungierte von 1974 bis 1981 als Vorsitzender der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV).

Das erfüllte Leben des Psychoanalytikers begann am 6. August 1926 in Wien. Nach der Matura und kurzem Wehrdienst studierte er Medizin in Wien und nahm 1951 eine Stelle an der Wiener Psychiatrischen Universitätsklinik an. Danach setzte er für zwei Jahre seine Ausbildung in London fort, ehe er 1959 die Anerkennung als Facharzt für Psychiatrie und Neurologie erhielt. Neben seiner Tätigkeit am Psychiatrischen Krankenhaus absolvierte er Anfang der Sechzigerjahre seine psychoanalytische Ausbildung. 1964 eröffnete er eine eigene Praxis, 1971 wurde er zum Lehranalytiker gewählt.

In diesem Jahr begann Leupold-Löwenthal auch mit der Einrichtung des Sigmund- Freud-Museums, wobei es ihm um die "Schaffung einer informierten öffentlichen Meinung zu Freud und zur Psychoanalyse" und einen "Verzicht auf jegliche Anbiederung an Tourismus und Spektakelkultur" ging, wie er später schrieb. So wünschte er sich, dass mit dem Freud-Museum in der Berggasse 19 nach Möglichkeit "auch ein wissenschaftliches Zentrum der internationalen Psychoanalyse entsteht".

Drohendes Disneyland

Doch schon 1999, als ihm der Soziologe Johann August Schülein an der Spitze der Freud-Gesellschaft folgte, warnte er vor einem drohenden "Disneyland für Freud-Fans". Und als die Freud-Privatstiftung ihr Programm für das Freud-Jahr 2006 vorlegte, verglich er die geplanten Festlichkeiten polemisch mit einem "Donauinselfest der Psychoanalyse".

Der streitbare Psychoanalytiker wurde für sein umfangreiches Schaffen unter anderem mit dem Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse (1986) und als "Bürger der Stadt Wien" (1996) ausgezeichnet. "Die Stadt verliert mit Leupold-Löwenthal den Doyen der Wiener Psychoanalyse", reagierte Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny in einer ersten Stellungnahme. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer würdigte in seiner Beileidsbekundung Leupold-Löwenthals vielfältigen Einsatz gegen das Verdrängen und Vergessen: "Mit seinem Engagement für die Psychoanalyse trug er zur Rückkehr dieser im Nationalsozialismus verfemten Wissenschaft nach Österreich bei."

Sein kürzlich verstorbener Lebensfreund, der Kabarettist Gerhard Bronner, hatte Harald Leupold-Löwenthal im TV-Porträt vor einem halben Jahr als Menschen bezeichnet, "der aus mehreren Persönlichkeiten besteht: Der Leupold ist ein waschechter Meidlinger, spricht die Sprache dieses Wiener Vorstadtbezirks mit seinen deftigen Ausdrücken und liest am liebsten Schundromane. Der Löwenthal hingegen ist ein vornehmer, gebildeter Akademiker, der sich an edelfaden cineastischen Kunstwerken erfreut, bei denen man bereits nach fünf Minuten einschläft."

Am Dienstag erlag der Doyen der heimischen Psychoanalyse, dieser Mann vieler Eigenschaften, einem Herzstillstand. (APA, tasch/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 3. 2007)