Eine für Touristen und Reiseveranstalter gleichermaßen bemerkenswerte Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof (OGH) hinsichtlich der Frage getroffen, wer die Kosten zu tragen hat, wenn eine Reise bei höherer Gewalt - etwa bei einer Naturkatastrophe - vorzeitig abgebrochen werden muss. In diesen Fällen ist laut OGH eine Risikoverschiebung zum Nachteil des Konsumenten nicht zulässig.

Im druckfrischen Urteil 10 Ob 2/07b wird festgehalten, dass Touristen bei einem Reiseabbruch in Folge einer für sie unvorhersehbaren Naturkatastrophe für die verbrauchten Reiseleistungen "nur ein dem erhaltenen Nutzen angemessenes Entgelt" zu bezahlen haben und den Differenzbetrag zur vollen Höhe der ihnen in Rechnung gestellten Kosten vom Veranstalter zurückfordern können.

Klage als Ausgangspunkt

Ausgangspunkt war die Klage einer Frau, die für ihre dreiköpfige Familie und drei weitere Bekannte für den Zeitraum vom 21. Dezember 2004 bis zum 5. Jänner 2005 einen Pauschalurlaub in Phuket gebucht hatte. Am 26. Dezember wurde die Hotelanlage vollständig zerstört: Die Tsunsami-Katatsrophe war über Südostasien hereingebrochen und hatte auch Thailand nicht verschont. Die sechs Touristen überlebten und kehrten am 28. Dezember vorzeitig nach Wien zurück.

Der Reiseveranstalter erstattete ihnen in weiterer Folge nur den anteiligen Preis für zehn Übernachtungen inklusive Frühstück sowie die verrechneten Saisonzuschläge zurück. Er vertrat die Ansicht, beim Tsunami habe es sich um einen Fall von höherer Gewalt gehandelt, bei dem den betroffenen Pauschalurlaubern Kostenersatz für zum Zeitpunkt des Reiseabbruchs noch nicht erbrachte Leistungen zustünde. Die Kosten des Hin- und Rückflugs sowie den Hotelaufenthalt bis zum Abbruch hätten sie aber zur Gänze zu tragen.

Damit war die Frau nicht einverstanden: Mit dem Hinweis, sie habe eine 14-tägige Reise gebucht und davon nur vier Tage konsumieren können, machte ihr Anwalt Martin Machold die Rückzahlung des aliquoten Reisepreises im Umfang der nicht konsumierten Leistungen geltend. In Gewährleistungsfällen sei selbst bei nachträglicher Teilunmöglichkeit der Leistungserbringung die Preisminderung vom Gesamtpreis zu berechnen, argumentierte Machold.

OGH entschied

Während diese Einwände in den ersten beiden Instanzen noch keinen Erfolg hatten - die Klage wurde abgewiesen -, stellte der OGH nun grundsätzlich fest, der Reiseveranstalter schulde einen Erfolg, "dessen Ausbleiben sein Risiko und nicht das Risiko des Reisenden ist".

Für Touristen seien Hin- und Rückflug zum Reiseziel "in der Regel nur Mittel zum Zweck" und hätten daher keinen "Urlaubswert", weshalb im konkreten Fall die Abwälzung der Flugkosten auf die Reisenden nicht zulässig war.

Die pekuniären Folgen dieser Entscheidung: Während der Reiseveranstalter von sich aus nur zur Übernahme von 22 Prozent der Reisekosten bereit war, stehen der sechsköpfigen Reisegruppe laut OGH annähernd 70 Prozent zu. Der Veranstalter wurde daher verpflichtet, binnen 14 Tagen den Differenzbetrag zuzüglich neun Prozent Zinsen zu überweisen. (APA)