Brüssel/Washington/Jerusalem - Nach dem Amtsantritt der Einheitsregierung von Hamas und Fatah fürchtet Israel nun den völligen Zusammenbruch des internationalen Boykotts gegen die Palästinenser. "Die diplomatischen Bemühungen Israels sind gescheitert", urteilte die auflagenstärkste Zeitung Yediot Ahronot am Sonntag bereits. "Der Boykott der Palästinenser ist zu Ende."

Tatsächlich rücken Washington und die EU seit dem Eintritt der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in die Regierung der Hamas von der bisherigen Linie der völligen Ablehnung ab. So wollen die USA zwar ihre Sanktionen gegen die Palästinenserregierung beibehalten, entgegen der Position Israels jedoch Kontakte zu einzelnen Kabinettsmitgliedern erlauben.

Die seit einem Jahr bestehenden Sanktionen blieben in Kraft, bis die neue Regierung wie vom Westen gefordert Israel anerkenne und der Gewalt abschwöre, sagte die Sprecherin des US-Konsulats am Sonntag in Jerusalem. Weiterhin bestehe kein Kontakt zu den Hamas-Mitgliedern in der Regierung. Mit einzelnen Regierungsmitgliedern, die nicht der radikalislamischen Hamas angehören, werde der Kontakt dagegen erlaubt. Eine Entscheidung darüber müsse jeweils im Einzelfall getroffen werden. Nach Angaben von Diplomaten bedeutet dies, dass Washington etwa mit dem neuen Finanzminister Salam Fayad in Kontakt treten wird.

Am Sonntag schloss der Nationale Sicherheitsberater Stephen Hadley jedoch weiterhin Verhandlungen mit der neuen palästinensischen Regierung von Hamas-Ministerpräsident Haniyeh aus. Zunächst müsse die Regierung von Hamas und Fatah auf "Terrorismus und Gewalt" verzichten und das Existenzrecht Israels anerkennen, so Hadley gegenüber CNN: "Wir werden mit dieser Regierung nicht verhandeln, solange sie nicht diese Prinzipien anerkennt."

Ein Sprecher der US-Botschaft in Tel Aviv hatte zuvor Kontakte mit gemäßigten Kabinettsmitgliedern nicht ausgeschlossen. Die USA und die EU hatten nach dem Wahlsieg der radikalislamischen Hamas im vergangenen Jahr direkte finanzielle Hilfen für die palästinensische Autonomiebehörde eingestellt und die politischen Kontakte zur Hamas-Regierung eingestellt.

Vorreiter Norwegen

Großbritannien, das ohnehin auf verdecktem Wege Gespräche mit der radikalislamischen Hamas führte, will offenbar ebenfalls mit den Mitgliedern der Einheitsregierung diplomatische Kontakte aufnehmen, die nicht der Hamas angehören. Frankreich hat bereits Außenminister Siad Abu Amr nach Paris eingeladen.

Norwegen kündigte gar ein Ende seines politischen und wirtschaftlichen Boykotts an. Die norwegische Regierung hat am Montag den Staatssekretär im Außenministerium, Raymond Johansen, nach Gaza zu einem Treffen mit dem palästinensischen Regierungschef Ismail Haniyeh von der radikalen islamischen Hamas entsandt. Das teilte das Außenministerium in Oslo mit. Das skandinavische Land, das der EU nicht angehört, setzt damit eine Ankündigung vom Wochenende um, wonach man den bisherigen Boykott der palästinensischen Regierung nach der Bildung einer Koalition aus Hamas und Fatah beenden wolle.

Auch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft begrüßte die Bildung der neuen Palästinenserregierung. Damit werde die Basis für eine palästinensische Aussöhnung geschaffen, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin am Wochenende.

Das Nachrichtenmagazin Spiegel berichtete vorab von Bemühungen der deutschen Ratspräsidentschaft, auf die neue Regierung der Palästinenser zuzugehen. Zunächst sollten Kontakte zu gemäßigten Ministern erlaubt werden. Dann sei denkbar, heiße es in Brüssel, dass wieder Gelder an die Palästinenser fließen. "Sie haben große Anstrengungen unternommen", zitierte das Blatt einen Spitzendiplomaten im Auswärtigen Amt: "Es wäre fatal, wenn wir Europäer jetzt ,April, April' sagen würden." (dpa, Reuters, red, DER STANDARD, Printausgabe 19.3.2007)