Makula-Degeneration beginnt mit unscharfem Sehen, dann lässt das Farbsehen nach, Sehverlust ist das Endstadium.

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Lediglich drei Quadratmillimeter ist jener Bereich der Netzhaut groß, der für 90 Prozent der Sehfähigkeit verantwortlich ist. Er wird Makula genannt. Gehen die Sinneszellen in diesem hochspezialisierten gelben Fleck zugrunde, nimmt das Scharfsehen und Farbensehen ab. "Es beginnt beim Lesen. Für Patienten mit seniler Makula-Degeneration erscheinen die Buchstaben verzerrt", erklärt Gerhard Kieselbach, leitender Oberarzt an der Universitätsklinik für Augenheilkunde in Innsbruck.

Feuchte Form

Entwickelt sich im Auge die feuchte Form der Makula-Degeneration (AMD), schreitet der Prozess schnell voran. "Es kommt zu rasch wachsenden Wucherungen im Auge, die hauptsächlich aus Gefäßneubildungen bestehen", erklärt Ursula Schmidt-Erfurth, Vorstand der Universitätsklinik für Augenheilkunde am Wiener AKH. Aus den neu gebildeten Gefäßen tritt Flüssigkeit und Blut aus, sie zerstören die Sehzellen. Was zurückbleibt, sind Narben auf der Netzhaut und ein Restsehvermögen von nur zehn Prozent.

Im Gegensatz zur bislang verwendeten photodynamischen Therapie, die auf eine Zerstörung neu gebildeter Gefäße abzielt, gibt es nun Lucentis. Dieses neue Medikament auf Basis von monoklonalen Antikörpern erzielt nicht nur eine Verlangsamung oder einen Stillstand der Erkrankung, sondern bei 30 bis 40 Prozent der Patienten auch eine Verbesserung der Sehfähigkeit. "Eine derartige Antikörperbehandlung bewirkt, dass die Erkrankung ihre Hauptursache verliert, weil sie sich gegen den Wachstumsfaktor für Gefäße (VEGF) richtet", sagt Schmidt-Erfurth, die an der Entwicklung der Substanz beteiligt war.

Gute Gegenmittel Die Blockade des Vascular Endothelial Growth Factors (VEGF) lässt den Tumor praktisch verhungern. "Im Prinzip kann man die neue Therapie in jedem Stadium der Erkrankung verabreichen, allerdings kann eine bereits eingetretene Narbenbildung im Auge nicht rückgängig gemacht werden", ergänzt die Spezialistin und empfiehlt daher eine frühe Abklärung beim Spezialisten.

Hoher Aufwand

Schmerzen bereitet die neue Therapie, die mit einer Spritze seitlich in den Glaskörper eingebracht wird, nicht, sagt der Innsbrucker Augenspezialist Kieselbach: "Es klingt einfach, ist aber aufwändig. Zur Vermeidung eines Infektionsrisikos wird jede einzelne Injektion als eine Augenoperation betrachtet." Ein Aufwand, der sich lohnt, denn nach über 4000 Injektionen hat es weder in Wien, noch in Innsbruck bis heute einen Infektionsfall gegeben.

Wie oft und wie lange ein Patient die Behandlung im individuellen Falle dann braucht, lässt sich schwer vorhersagen. Meist bringe jede Injektion eine vorübergehende Verbesserung der Sehleistung, sagt Kieselbacher, Kontrollen beim Augenfacharzt seien allerdings lebenslang notwendig.

Kostenproblem

Das größere Problem von Lucentis sind seine wirklich hohen Kosten. "Eine Injektion wird über 1000 Euro kosten", berichtet Schmidt-Erfurth, nur zukünftige Konkurrenzprodukte werden den Preis einmal "realistischer" gestalten.

Von einer kostengünstigeren, möglicherweise ebenso effizienten Behandlung der Makula-Degeneration mit dem Darmkrebsmedikament Avastin wissen Mediziner seit Langem, und Augenärzte setzen das Medikament auch ohne explizite Zulassung dafür ein. "Die US-Behörde FDA plant eine klinische Studie, Lucentis gegen Avastin", so Kieselbach. Der Verdacht einer Analyse von SAILOR (Safety Assessent of Intravitreal Lucentis of age-related macular degeneration), der zufolge Lucentis das Schlaganfallrisiko um 1,2 Prozent erhöht, hält Philipp J. Rosenfeld für verfrüht. Der US-Netzhautspezialist hat an vorderster Front die Entwicklung der Anti-VEGF Therapien der feuchten altersbedingten Makula-Degeneration vorangetrieben. Er ist sicher, dass die Entscheidung zwischen 100 Prozent Erblindung und einem Prozent Schlaganfallrisiko nicht schwer fällt. (DER STANDARD, Printausgabe, Regina Philipp, 19.3.2007)