Wien – Mit einer insgesamt zehnstündigen Performance des russischen Künstlerkollektivs Laboratoria wurde am Wochenende das Festival des internationalen jüdischen Theaters eröffnet. Die Performance, die dem Mythos des Golem nach Halper Leivicks Stück folgt, ist selbst noch keine abgeschlossene Inszenierung (nach rabbinischer Tradition bezeichnet das Wort Golem alles "Unfertige").

Der Legende nach schuf der Rabbi Judah Löw (im Stück Maharal genannt) den Golem Ende des 16. Jahrhunderts zum Schutz der Prager Judenschaft als menschenähnliches Geschöpf aus Lehm. In ihrem offenen Prozess mit dieser Geschichte geht es der Gemeinschaft Laboratoria aber ohnehin nicht darum, den Mythos einem Publikum zu präsentieren, sondern vielmehr, ihn selbst gewissermaßen zu erleben, erklärt der Regisseur Boris Uhananov dem STANDARD.

"Das ist alles ambivalent: Die Beziehung von Maharal zu der von ihm geschaffenen Kreatur ebenso wie die vom Regisseur zum Schauspieler und vom Schauspieler zu seinem Charakter." Bei Golem gehe es darum, zu erfahren, wie eine Person Macht über eine andere ergreift, "das ist eine unbehagliche Geschichte, deshalb gefällt sie uns". Uhananov, der einen spirituellen Umgang mit jüdischen Texten, traditionellem jüdischen Gedankengut vorwiegend theatral unternimmt, fokussiert ausschließlich auf die konkrete Arbeit an den Inhalten. Daher sei es auch nebensächlich, wenn dem über zwanzigköpfigen Ensemble gerade einmal halb so viele Zuseher folgen.

Antrieb der Kunst

Er habe kein Interesse am Theater als Medium, meint Uhananov, auch gehe es ihm nur peripher darum, ein ideell und geografisch verstreutes jüdisches Publikum für die gemeinsame Basis der Thora zu sensibilisieren: "Kunst kann nicht durch das Kommunizieren von Problemen angetrieben werden."

Warren Rosenzweig, künstlerischer Leiter des Festivals, sieht das einerseits anders ("Man soll Theater nicht von Problemen im sozialen Umfeld trennen!") und sucht weiters auch nicht unbedingt nach einer gemeinsamen Grundlage jüdischer Künstler. ("Es handelt sich hier um zu unterschiedliche Erfahrungen, die sie gemacht haben.") Rosenzweig folgt dem Titel des Kongresses: "Tikun Olam – Repair the World", also eine "Kultur, die im Krieg völlig zerbrochen wurde, wieder zusammensetzen, eine Gesellschaft wieder zusammenbringen und dafür erst Bekanntheit erzeugen."

Bis Samstag dauert das Festival in Wien an, das Programm der sehr unterschiedlichen theatralen Veranstaltungen (heute und morgen der Johannesburger Stephen Cohen mit seinem in Berlin und New York bereits erfolgreich interpretierten Chandelier, das Kapitalismus und Kolonialismus anklagt) wird durch Diskussionen erweitert. (Isabella Hager/ DER STANDARD, Printausgabe, 20.03.2007)