Symantec-CEO John Thompson: Eine Vertrauenskrise durch Onlinebetrug ist nicht nur ein Problem für den Tech-Sektor, sondern betrifft alle Unternehmen ebenso wie den öffentlichen Bereich.

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Standard: Welche aktuelle Entwicklungen beobachten Sie beim Thema Sicherheit?

Thompson: 2006 brachte im Onlinebereich einen Rückgang des Konsumentenvertrauens. Viele Leute sagen, sie täten online etwas weniger, weil die Angst vor Onlinebetrug rapid zunimmt. Onlinebetrug ist das am schnellsten wachsende nicht gewalttätige Verbrechen. Und die Täter sind nicht mehr Hacker, sondern Kriminelle und möglicherweise die organisierte Kriminalität.

Nehmen wir die Airlines: Hier haben Konsumenten inzwischen genug Vertrauen gefasst, um Flüge online zu buchen und zu bezahlen. Wenn es dieses Vertrauen nicht mehr gibt, dann erhöhen sich die Kosten: Denn früher gab es eine Vertriebsstruktur, um das zu machen - heute ist es Selbstbedienung, und wenn wieder mehr Leute offline kaufen, entstehen neue Kosten.

Wenn es eine Vertrauenskrise gibt, dann betrifft das inzwischen nicht nur den Technologiesektor, sondern alle Geschäftsbereiche und den öffentlichen Bereich - auch E-Government wird versagen.

Standard: Was bedeutet das für unsere Vorsichtsmaßnahmen?

Thompson: Viren und Würmer sind heute nicht mehr die größte Gefahr. Heute ist das Onlinebetrug, wo es um Social Engineering geht - von Menschen erfundene Tricks, um Ihr Vertrauen zu missbrauchen. Darauf müssen wir aufpassen.

Standard: Wir wissen, wie wir PCs schützen können. Aber was tun wir in der Onlinewelt?

Thompson: Auf eine typische Spam-Kampagne gibt es noch immer mindestens fünf Prozent Reaktionen derer, die das Spam bekommen, weil wir so anfällig sind zu hoffen, dass wir gerade die ganze Welt gewonnen haben. Unser Leben hat sich geändert, wir sind eine digitale Gesellschaft geworden, und wir müssen lernen, wie man sich darin sicher bewegt. In der richtigen Welt haben wir einen sechsten Sinn dafür, was man tut und was man nicht tut, das müssen wir auch online entwickeln. Unsere Produkte wie das jüngste Norton 360 beruhen im Onlinebereich auf der Reputation von Websites, damit Leute auf die richtigen Sites kommen. Wir schildern diese mit Rot, Gelb oder Grün aus.

Standard: Wie groß ist das Sicherheitsrisiko bei Handys?

Thompson: Je mehr persönliche Information wir auf unseren Handys haben, desto größer wird das Interesse mancher, diese auszuspähen. Es hat für Handy-Attacken bisher nur so genannte "Proof of Concepts" gegeben. Aber bis auf Weiteres bleibt Microsoft Windows ein reichhaltigeres Ziel.

Standard: Microsoft bewirbt Vista als Verbesserung unserer PC-Sicherheit. Können wir künftig auf Zusätze verzichten?

Thompson: Die digitale Erfahrung ist nicht anders als die physische. Ein Haus wird nicht mit all den Schutzmöglichkeiten gebaut, um Ihren physischen Besitz zu sichern. Das baut man bei Häusern später ein, warum sollte das nicht auch beim PC so sein? Was Microsoft macht, ist gut, aber das Betriebssystem ist kein Sicherheitssystem. Zu dessen Entwicklung braucht man Erfahrung bei Sicherheitssystemen. Symantec hat darin 24 Jahre investiert. Darum würde ich sagen: Käufer und Surfer, seien Sie vorsichtig, wenn Sie nichts anderes als Vista verwenden.(Helmut Spudich/DER STANDARD, Printausgabe vom 20.3.2007)