Straßburg - Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Polen wegen seiner strengen Abtreibungsgesetze zur Zahlung eines Schmerzensgelds verurteilt. Die Regierung in Warschau muss 25.000 Euro an eine seit der Geburt ihres dritten Kindes sehbehinderte Polin zahlen, die trotz der vorhergesagten Gesundheitsschäden keine Erlaubnis für eine Abtreibung erhalten hatte. Es gebe in Polen keine klare Rechtsgrundlage darüber, unter welchen Umständen eine Abtreibung legal sei, kritisierte der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg.

In Polen werden Abtreibungen mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft. Ausnahmen vom Abtreibungsverbot sind bei einer Gefährdung der Gesundheit der Mutter aber möglich. Der 36-jährigen Klägerin war nach Beginn ihrer Schwangerschaft von drei Augenärzten bestätigt worden, dass sich ihr Sehvermögen mit der Geburt ihres dritten Kindes erheblich verschlechtern würde. Dennoch weigerten sich diese und weitere Ärzte, ihr eine Bescheinigung auszustellen, die eine Abtreibung erlaubt hätte.

Wagnis

Der Gerichtshof erklärte dazu, die polnischen Gesetzesbestimmungen seien so unklar, dass Ärzte und Ärztinnen oft nicht wagten, eine Bescheinigung auszustellen. Nach Schätzung der Polnischen Vereinigung für Frauen und Familienplanung wird jedes Jahr tausenden Polinnen eine Abtreibung untersagt, auf die sie aus medizinischen Gründen eigentlich Anspruch hätten.

Die Frau brachte ihr drittes Kind im November 2000 per Kaiserschnitt zur Welt, meldete Kathpress. Inzwischen kann sie nur noch Objekte erkennen, die weniger als 1,50 Meter entfernt sind. Die allein erziehende Mutter wurde als schwerbehindert anerkannt und lebt nach Angaben des Menschenrechtsgerichtshofs von 140 Euro Beihilfe im Monat.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die polnische Regierung hat drei Monate Zeit, Berufung einzulegen. (APA/AP)