Am 18. Jänner 2007 ging beim Europäischen Parlament ein Gemeinsamer Standpunkt (GS) des Rates zu einem Kommissionsvorschlag ein, der mit einer geplanten Verordnung die öffentlichen Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße neuregeln soll. Damit wird eine neue Etappe in einem seit nunmehr sieben Jahren währenden Ringen eingeleitet.

Dem GS gingen bereits drei Kommissionsvorschläge voraus, der erste aus dem Juli 2000; bis zur Letztversion sollten fast auf den Tag genau fünf Jahre vergehen – ein Umstand, an dem auch der Rat mitschuldig ist.

Rechtsgrundlagen aus den Sechzigern

Regelungsbedarf hätte dabei schon längst bestanden: Die Rechtsgrundlagen, auf die sich das aktuell noch geltende Regelungsregime stützt, stammen noch aus den 60er-Jahren. Das wirtschaftliche Umfeld des öffentlichen Personenlandverkehrs hat sich seither grundlegend gewandelt, wurde internationaler, die geltenden Verordnungen sind überholt und zu einer Quelle der Rechtsunsicherheit geworden – um diese Einsicht kommt selbst die Kommission in ihrer Stellungnahme zu dem GS nicht herum.

Inhaltlich geht es um eine einheitliche, transparente und wettbewerbsorientierte Praxis in der Bestellung öffentlicher Personenverkehrsdienste. Der Anwendungsbereich der geplanten Verordnung erstreckt sich dabei auf den innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Personenverkehr mit der Eisenbahn und anderen Arten des Schienenverkehrs sowie auf der Straße. Ausgenommen sind nur Verkehrsdienste, die hauptsächlich aus Gründen historischen Interesses oder zu touristischen Zwecken betrieben werden.

Unrentable Strecken

Der rechtliche Hintergrund ist vor allem beihilfenrechtlich motiviert: Die Mitgliedstaaten konnten den Unternehmen, die Personenverkehrsdienstleistungen auf unrentablen Strecken erbrachten, nach bestimmten Modalitäten zu berechnende Ausgleichszahlungen gewähren. Nicht zuletzt das "Altmark"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs machte es notwendig, diese Berechungsgrundlagen zu prüfen.

Die geplante Verordnung zielt nun darauf, dass die zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden, soweit sie solche Ausgleichszahlungen oder ausschließliche Rechte zum Betreiben einer Strecke unter Ausschluss anderer Anbieter gewähren, dies auf Grundlage eines Dienstleistungsauftrages tun. Zum obligatorischen Inhalt solcher Verträge zählen unter anderem eindeutige Festlegungen über die Parameter der Ausgleichszahlungen. Es wurden ferner Laufzeitbegrenzungen für die Dienstleistungsverträge vorgesehen.

Eine andere Möglichkeit besteht allenfalls in einer Direktvergabe. Dies ist allerdings auf so genannte interne Betreiber beschränkt. Über diese muss die zuständige Behörde eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausüben können. Der GS enthält hinsichtlich der Definition des internen Betreibers nunmehr eine Definition, die den Kriterien der so genannten "In-house-Vergabe" entspricht; der Kommissionsvorschlag wies hier noch eine Diskrepanz auf, die Auslegungsschwierigkeiten in sich barg.

Doch das ist nicht die einzige Möglichkeit für die Behörde, Aufträge direkt zu vergeben: Möglich ist das auch für Dienste mit einem geschätzten jährlichen Durchschnittswert unter einer Million Euro oder einer jährlichen Verkehrsleistung von weniger als 300.000 km. Der GS brachte diesbezüglich noch die Ergänzung, dass eine Direktvergabe auch an kleine und mittlere Unternehmen möglich sei, für die der geschätzte Jahresdurchschnittswert entweder weniger als 1,7 Millionen Euro oder weniger als 500.000 km öffentliche Personenverkehrsleistung beträgt. Außerdem ist eine Direktvergabe in Notfällen vorgesehen.

Interessant sind bei Betrachtung des GS und seiner Genese die Wandelungen und Wendungen der geplanten Verordnung – nur von der Drittfassung des Kommissionsvorschlags bis zum jetzigen GS: So gilt die Möglichkeit einer Direktvergabe nach dem GS auch für Eisenbahnverkehrsdienste einschließlich der Stadt- und Vorortbahnen, allerdings mit Ausnahme von U-Bahnen und Straßenbahndiensten. Der KV sah noch die Direktvergabe nur für den Eisenbahnregional- und –fernverkehr vor und definierte den Regional- und Fernverkehr als jeden Verkehrsdienst, der nicht zur Erfüllung der Verkehrsbedürfnisse eines Stadt- oder Ballungsgebietes bestimmt war. Materiell dürfte sich letztlich das Ergebnis nicht gravierend unterscheiden.

Im Gegenzug wurde im GS aber eine Begrenzung jener direkt vergebenen Aufträge auf zehn Jahre vorgesehen. Die reguläre Laufzeit der Verträge liegt ansonsten bei acht Jahren für Busverkehrsdienste und 15 Jahren für Schienenverkehrsdienste. Zu beachten ist ferner, dass die Mitgliedstaaten die geplante Verordnung auch auf den öffentlichen Personenverkehr auf Binnenschifffahrtswegen anwenden können.

Rechtliche Schwierigkeiten

Unabhängig von verbalen Finessen gibt es auch tatsächliche Schwierigkeiten mit dem GS: nämlich das Verhältnis der Bestimmungen zum allgemeinen Vergaberecht der EU-Richtlinien. Der Kommissionsvorschlag bestimmte lapidar, dass die allgemeinen EU-Vergaberichtlinien von der Verordnung nicht berührt würden; das genaue Verhältnis wurde allerdings nicht erläutert und führte in der Literatur zu Kontroversen. Nunmehr wurde die Formulierung dahingehend "klarstellend" modifiziert, dass zunächst für Dienstleistungsaufträge, die in Übereinstimmung mit den EU-Vergaberichtlinien vergeben wurden, die Absätze der entsprechenden Bestimmungen in der geplanten Verordnung nicht gelten. Aber auch der GS sagt nicht, was für die übrigen Verordnungsbestimmungen gilt.

Ferner findet sich die Bestimmung, dass in den Vergaberichtlinien definierte Dienstleistungsaufträge für öffentliche Personenverkehrsdienste per Bus oder Straßenbahn in Übereinstimmung mit den EU-Vergaberichtlinien vergeben werden sollen, soweit es sich nicht um Dienstleistungskonzessionen handele. Was für den sonstigen Schienenverkehr zu gelten hat, bleibt offen.

Damit sich die Branche auf die kommenden Änderungen und Unklarheiten vorbereiten kann, ist eine Übergangszeit von zwölf Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung vorgesehen. Damit verfügt der Personenverkehrssektor letztlich über einen Zeitraum von insgesamt 15 Jahren, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Das Ende dieses Prozesses ist allerdings noch nicht erreicht: Der GS liegt wieder beim Europäischen Parlament. Dieses aber hätte die Möglichkeit, wiederum Änderungen zu beschließen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.3.2007)