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David Reveman
Der Novell-Entwickler hat die ursprüngliche Entwicklung von Compiz und Xgl praktisch im Alleingang vorgenommen.

Foto: Archiv
Am Ende einer mehr als zweistündigen Keynote sind die ZuhörererInnen gewöhnlich bereits an der Grenze zwischen Wach- und Schlafzustand angekommen. Auf seiner derzeit in Salt Lake City stattfindenden Hausmesse Brainshare hat sich der Softwarehersteller Novell aber dieses mal etwas spezielles einfallen lassen, um das Publikum noch mal so richtig wachzurütteln: Ein kurzes Demo verblüffte die Anwesenden mit einer neuen Generation von Desktop-Effekten, die über das bisher in Compiz/Beryl Verfügbare weit hinausgeht.

Transformation

"Das zentrale Element bildet die Input Transformation", wie Compiz-Entwickler David Reveman anschließend im Gespräch mit dem WebStandard herausstreicht. Diese Veränderung am X-Server ermöglicht es vom Compositing Manager transformierte Windows weiter zu bearbeiten. "Damit können wir nun so ziemlich alles machen, was denkbar ist", zeigt sich Reveman überzeugt.

Beispiele

So ließen sich etwa Fenster und einzelne Desktops simpel per Drag & Drop auf ein zweites Display klonen. Wie nützlich dies sein kann, zeigt sich anhand einer Demonstration: Während das Original unverändert bleibt, wird am zweiten Screen weiter hineingezoomt. So bietet sich zum Beispiel GrafikerInnen die Möglichkeit immer eine Überblicks- und Detailansicht gleichzeitig offen zu haben, Änderungen werden parallel auf beiden ausgegeben. Auch für den Bereich Barrierefreiheit sieht man damit ganz neue Möglichkeiten.

Videos

Eine weitere aktuelle Neuerung ist die Entwicklung eines speziellen Video-Treibers für Desktop-Umgebungen, auf denen ein Compositing Manager läuft. In dem er unnötige Konvertierungen im X-Server vermeidet, geht dieser wesentlich effizienter zu Werke als die normale Video-Ausgabe über. Ein weiterer Vorteil: Wer in ein solch laufendes Fenster hineinzoomt, muss sich nicht länger mit pixeligen Bildern zufrieden geben, die Ausgabe wird automatisch mitskaliert, das Bild bleibt deutlich klarer. Solche Verbesserungen wären nicht per se auf die Videoausgabe beschränkt, ähnliche Optimierungen wären auch für Bildanzeigeprogramme oder andere Programme denkbar, so Reveman.

Power

Eine immer wieder heiß diskutierte Frage ist auch die nach dem Stromverbrauch, Desktop-Effekte haben den Ruf die Akku-Laufzeit von Laptops erheblich zu verkürzen. Ein Eindruck den Reveman so nicht stehen lassen will: "Natürlich braucht zusätzliche Funktionalität auch immer mehr Strom, aber damit dies wirklich spürbar ist,müsste man schon den Desktop-Cube die ganze Zeit rotieren lassen". Trotzdem kann er sich in dem Bereich noch einige Optimierungen vorstellen, etwa mit speziellen Profilen, die im Akku-Betrieb einige der Ressourcen-intensiveren Effekte deaktivieren. Nach einigen weiteren Optimierungen an einzelnen Anwendungen - wie der oben erwähnten Videoausgabe - sei sogar denkbar, dass der Einsatz eines Compositing Managers die Akku-Laufzeit verlängern könne. Immerhin könne er einige Aufgaben wesentlich effizienter als herkömmliche Window Manager übernehmen, zeigt sich der Compiz-Entwickler überzeugt.

Reunion

Nicht abgeneigt zeigt sich Reveman gegenüber einer Wiedervereinigung von Compiz mit Beryl, wie sie momentan unter den EntwicklerInnen beider Projekte diskutiert wird. "Von der technischen Seite her wäre dies leicht zu bewerkstelligen, der Kern-Code unterscheidet sich im Moment noch kaum". Es stelle sich aber die Frage, ob überhaupt alle Beryl-EntwicklerInnen ein Interesse daran haben, immerhin gebe es derzeit noch einige grundlegende Vorbehalte gegen so eine Schritt. So wird etwa die von Reveman für Compiz gewählte MIT-Lizenz immer wieder kritisiert. Für die konkrete Umsetzung eines solchen Mergers, wäre am ehesten vorstellbar, dass man eine Trennung zwischen Kern- und Nicht-Kern-Komponenten vornimmt. Während Reveman bei ersteren auf sehr strikte Regeln für die Aufnahme von neuem Code besteht - um die Umsetzung von Anfang an "richtig" zu machen - könnte man die Plugins benutzen um zu experimentieren.

Offenheit

Beryl wurde im Herbst 2006 ins Leben gerufen, nachdem einige externe EntwicklerInnen die mangelnde Offenheit gegenüber den Beiträgen anderer beklagt hatten. Der Compiz-"Erfinder" gesteht dabei auch durchaus eigene Versäumnis ein, allerdings seien diese schlicht durch die damaligen Umstände entstanden. Anfänglich habe er wesentlich weniger Zeit für die Compiz-Entwicklung gehabt, da sei für die Kommunikation nicht mehr viel übrig geblieben. Auch seien nach der Freigabe des Compiz-Codes schnell viele Verbesserungsvorschläge für Bereiche gekommen, die nach seiner Auffassung noch nicht fertig waren und so ohnehin noch gröber umgeschrieben werden mussten. Insofern sei vielleicht die erste Veröffentlichung von Compiz etwas verfrüht gewesen. Zwar habe er für diesen Schritt keinen Druck von seinem Arbeitgeber erhalten, eine Rolle dabei habe wohl aber auch die Kritik an Novell wegen der internen Entwicklung von Compiz/Xgl gespielt.

Xgl

Reveman gibt auch einen Einblick in die Entwicklung der Software: Ursprünglich sei Compiz eher als Nebeneffekt der Entwicklung des 3D-beschleunigten Grafikservers Xgl entstanden, mittlerweile arbeitet er aber fast zur Gänze am Compositing Manager. Es habe sich einfach gezeigt, dass viele Neuerungen direkt in Compiz machbar seien, insofern sei die Frage, welche X-Server-Architektur im Hintergrund steht eher zweitrangig.

Basis

Langfristig hat Reveman aber durchaus noch das Interesse das Projekt eines Grafikservers auf OpenGL-Basis - das von Anfang an als nächster Schritt nach Xgl gedacht war - weiter voranzutreiben, da dies einige grundlegende Probleme der momentanen X-Architektur auf eine "saubere" Weise lösen würde. Als Haupthindernis stellt sich dabei derzeit vor allem heraus, dass man für dies eine neue Treiberarchitektur benötigen würde, und die Ressourcen für die Änderung der einzelnen Hardwaretreiber schlicht nicht vorhanden wären. (Andreas Proschofsky aus Salt Lake City)