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Foto: APA/EPA/ESA
Paris - Nach langer Verzögerung steht die Gesellschaft für den Betrieb des europäischen Satelliten-Navigationssystem Galileo. Alle acht Industriepartner unterzeichneten bis zum Dienstag nach 20 Monaten Verhandlungen einen Vertrag zur Gründung des Unternehmens, wie aus Branchenkreisen mitgeteilt wurde. Die Industrie habe sich auf die Aufteilung der Anteile und die Arbeitsteilung verständigt.

Das Ultimatum

Nach anhaltenden Schwierigkeiten innerhalb des Konsortiums für den Aufbau des europäischen Satelliten-Navigationssystem Galileo haben die EU-Verkehrsminister am Donnerstag ein Ultimatum gesetzt. Die acht Unternehmen müssen bis 10. Mai arbeitsfähige Strukturen vorweisen, sonst wollen die Minister bei ihrem nächsten Treffen im Juni anderer Wege suchen, das Milliardenprojekt voranzubringen. Die Kommission soll bis dahin jedenfalls "entscheidungsreife Alternativen" ausarbeiten, sagte der deutsche Verkehrsminister und amtierende Ratsvorsitzende Wolfgang Tiefensee.

"Galileo hat die Krise noch nicht überwunden", sagte Tiefensee. Die Industrie habe mit der Gründung der Betreibergesellschaft einen "Schritt in die richtige Richtung gesetzt", die Blockade sei damit noch nicht beseitigt. Es habe bei dem Projekt schon "deutliche Zeitverzögerungen gegeben, noch immer seien "elementare Fragen" wie die Managementstrukturen und die Verteilung der Aufgaben oder technische Voraussetzungen nicht geklärt. "Dieses grandiose Projekt darf nicht Schaden erleiden, weil wir gegenüber der Konkurrenz ins Hintertreffen geraten", mahnte Tiefensee.

Die Staatssekretärin im Forschungsministerium Christa Kranzl betonte, Österreich habe die strenge Vorgangsweise unterstützt. Gerade Klein- und Mittelbetrieben, die sich für das ambitionierte europäische Weltraumprojekt interessieren, würden durch die Verzögerungen an notwendigen Vorleistungen gehindert. "Daher halte ich es für wichtig, zu sagen, entweder liegen diese im Abkommen vorgesehenen Bedingungen vor, ansonsten müssen Alternativen gewählt werden."

Das Projekt

Das Galileo-Projekt mit seinen 26 Satelliten soll ab 2011 hochpräzise Ortsbestimmungen auf der Erde ermöglichen und dann Konkurrent des US-Systems GPS werden. Die Kosten werden mit rund 3,8 Mrd. Euro veranschlagt.

Zu den Galileo-Konzessionären gehören die Airbus-Mutter EADS, die französischen Konzerne Thales und Alcatel, die italienische Finmeccanica, die spanischen Gruppen Aena und Hispasat und die britische Inmarsat. Auf deutscher Seite ist das Konsortium TeleOp dabei, zu dem unter anderem die Telekom-Tochter T-Systems und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gehören.

Aussichten

Laut ESA könnten die Einnahmen die Investitionen mittelfristig vier bis fünf Mal übersteigen - vorausgesetzt, dass private und öffentliche Partner ihren Dauerstreit um Finanzierung und nationale Interessen noch beilegen können.

Die Aussichten auf dem Markt für Satellitentechnik sind verlockend: Lagen die Umsätze dort laut ESA im Jahr 2003 bei rund 20 Mrd. Euro, soll sich dieses Volumen bis 2020 auf 250 Mrd. Euro erhöhen. Gleichzeitig soll Galileo allein in Europa über 100.000 Arbeitsplätze schaffen. Doch der Starttermin wird immer weiter nach hinten geschoben: War ursprünglich 2010 geplant, spricht die EU-Kommission inzwischen von 2011 oder 2012.

Anwendungen

Für Verbraucher würde Galileo vielfältige Anwendungen bringen: Autofahrer können laut EU über ihre Fahrzeugnavigation vor Staus und Kollisionen gewarnt werden. Auch "Auto-Pilot"-Funktionen bei langsamer Fahrt sind demnach möglich. Nutzer von Bussen und Bahnen werden minutengenau über die Dauer von Verzögerungen auf dem Laufenden gehalten, und Handy-Kunden durch ihr Telefon ins nächste Restaurant gelotst. Bei Notfällen finden Rettungskräfte zum Patienten durch das Galileo-fähige Mobiltelefon. Und Straftäter werden bei Freigängen per elektronischer Fußfessel über das Galileo-Signal überwacht.

Gegenüber dem US-System GPS zeichnet sich Galileo der EU zufolge durch eine höhere Verlässlichkeit aus. Dazu zählt eine Funktion, die darüber informiert, ob eine Nachricht oder ein Signal fehlerfrei angekommen ist. Zudem sei die Erreichbarkeit auch in entlegenen Breitengraden gewährleistet. Brüssel verweist zudem darauf, dass GPS in den vergangenen Jahren von den USA aus militärischen Gründen mehrfach ausgeschaltet wurde. Gleichzeitig sind Galileo und GPS aber kompatibel. Rettungskräfte oder Fluglinien, die auf die Ortsbestimmung unbedingt angewiesen sind, können damit künftig mit nur einem Empfänger beim Ausfall des einen Systems auf das andere umsteigen. (APA)