Perner: Diskriminierung schädigt Gesundheit.

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STANDARD: Die ÖVP will sich offenbar ein modernes Familienbild verpassen, doch mit lesbischen und schwulen Beziehungen tut sie sich besonders schwer. Wie weit kann Ihrer Einschätzung nach die Öffnung gehen?

Perner: Erst einmal muss eine offene Diskussion über Familien- und Homosexuellenbilder geführt werden, bei der Auftaktveranstaltung am Mittwoch ebenso wie darüber hinaus. Aber schnell wird sich, glaube ich, nichts ändern - immerhin handelt es sich ja um eine Perspektivendiskussion. Die inhaltliche Öffnung wird dann davon abhängen, ob in der Diskussion wahrgenommen werden konnte, was sich in Realität alles geändert hat.

STANDARD: In Realität fordern Homosexuelle die Öffnung der Ehe oder Eingetragene Partnerschaften - aber die Ehe ist für die meisten ÖVP-Anhänger sakrosankt: Was tun?

Perner: Für den Fall, dass es Probleme wegen des Begriffs Ehe als solchen geben, schlage ich eine neue Bezeichnung für ein Eintragungsmodell homosexueller Partnerschaften vor. Nämlich statt Ehe den Begriff "Ege", als Abkürzung für 'Ehe gleiche Eintragung', die aus Gründen der Gleichheit jedoch - das ist mit wichtig - beim Standesamt und nicht beim Notar eingegangen werden soll.

STANDARD:: Wie erklären Sie es sich, dass man in der ÖVP derart stark an der Unantastbarkeit der Ehe festhält?

Perner: Weil man dort die bürgerliche und die spirituelle Ehe gleichsetzt, obwohl das zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Bei der bürgerlichen Ehe geht es um gegenseitigen Beistand, das hat sehr viel mit Ökonomie zu tun. Die spirituelle Ehe wiederum ist das Göttliche, die Auflösung des Gegensatzes zwischen Männlichem und Weiblichem - doch das ist Ideologie.

STANDARD: Was wollen Sie solchen Ansichten in der Perspektivengruppe entgegenhalten?

Perner: Dass es nicht akzeptabel ist, wenn man Menschen wegen ihres Andersseins demütigt, indem man ihnen Akzeptanz vorenthält. Für mich stellt die Nicht-Anerkennung homosexueller Beziehungen im Grunde Gesundheitsschädigung dar, so wie Rassismus oder Sexismus etwa auch.

STANDARD: Warum hält sich die Nicht-Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare gerade in Österreich so lang?

Perner: Weil in der ÖVP, aber auch anderswo, Informationsdefizite über Homosexualität existieren. Man kennt nur die Parodie, den 'Käfig voller Narren', nicht aber reale Lesben und Schwule.

STANDARD: Dabei sind Lesben und Schwule doch weitaus sichtbarer als früher.

Perner: Im ländlichen Bereich, wo die ÖVP besonders gut aufgestellt ist, nicht. Dort geht es um die Fortpflanzung, und darum, was die Nachbarn sagen, da werden gleichgeschlechtlich Liebende, die kein zusätzliches 'Alibi' für ihre Anderssein haben, weiterhin scheel angeschaut.

STANDARD: Frau Perner, Ihre Positionen sind nicht unbedingt VP-konform. Weshalb, glauben Sie, hat man Sie in die Perspektivengruppe geladen?

Perner: Wahrscheinlich, weil ich fundiert Auskunft geben kann. Und auch deshalb, weil ich nicht in Verdacht stehe, für die eigene Lebensweise zu kämpfen. (Irene Brickner/DER STANDARD-Printausgabe, 21.03.2007)