„Mehr Europa!“ steht auf der Wunschliste der Polen ganz oben. Neben den Ungarn und den Italienern zählen sich die Polen zu den größten EU-Enthusiasten.

Das demokratische „Fußvolk“ wohlgemerkt, nicht die Politiker der rechtsnationalen Regierung. Dies brachte bereits Mitte letzten Jahres eine europaweit durchgeführte Umfrage an den Tag. Während Polens Regierungsparteien im Europaparlament immer wieder den europäischen Gedanken torpedieren, freuen sich 64 Prozent der Polen über den EU-Beitritt ihres Landes vor knapp drei Jahren. Über 70 Prozent würden auch gerne die Nachbarn im Osten bald in der EU willkommen heißen, möglichst bald die Ukraine und langfristig gesehen auch Weißrussland. Obwohl „Brüssel“ auch in den polnischen Medien gerne als Buhmann dargestellt wird, mit dem die Regierung hart und „po mesku“, also männlich, verhandeln müsse, beeindruckt das kaum einen Polen. Nur 29 Prozent trauen der eigenen Regierung zu, Polen in der Welt angemessen vertreten zu können.

Noch schlechter sieht es bei den Quoten für das Parlament in Warschau und die politischen Parteien Polens aus. Nur 19 Prozent setzten Vertrauen ins Parlament, nur 15 in die Parteien. Über die Demokratie im eigenen Lande haben nur 42 Prozent der befragten Polen eine gute Meinung. In der EU ist dies die niedrigste Zufriedenheitsrate mit den demokratischen Institutionen im eigenen Lande.

Vertrauen in EU-Institutionen

Dafür ist das Vertrauen der Polen in EU-Institutionen umso höher. Das EU-Parlament genießt mit 56 Prozent Zustimmung den größten Zuspruch, dicht gefolgt von der Europäischen Kommission mit 53 Prozent und immerhin noch 49 Prozent für den Ministerrat. Völlig unverständlich ist den meisten Polen daher auch, warum ihre Regierung der EU-Verfassung so negativ gegenübersteht. Würde am nächsten Sonntag eine Volksbefragung in Polen durchgeführt, würden 54 Prozent mit Ja zur Europäischen Verfassung stimmen.

Die polnische Regierung aber interessiert die EU-Verfassung nur als politisches Druckmittel. Die bisherigen Forderungen nach einem EU-weiten absoluten Abtreibungsverbot und der Definition von Homosexuellen als „kranken“ Mitgliedern der Gesellschaft, wie sie unlängst Vizepremier Roman Giertych auf einem Treffen der EU-Bildungsminister in Heidelberg vorstellte, sind so absurd, dass sie in der Union nur auf Kopfschütteln stoßen.

Nur sporadische Information

Polens Regierung, die ein ausgesprochen schlechtes Verhältnis zu den Medien hat, pflegt die Bürger nur sehr sporadisch über ihre politischen Ziele zu informieren. So wissen sie bis heute nicht, was die Regierung für ihr Ja zur Verfassung eigentlich fordert.

Einig sind sich Regierung und Gesellschaft in Polen nur darin, dass möglichst bald auch die Nachbarn im Osten in die EU aufgenommen werden sollen. Während die Bürger die Nachbarn in der Ukraine und in Weißrussland sympathisch finden und sich mit dem Kampf der dortigen Opposition für Unabhängigkeit und Demokratie solidarisieren, wollen die polnischen Politiker vor allem die EU-Ostgrenze vom eigenen Land weiter weg nach Osten verlagern.

Doch dies ist Zukunftsmusik. Zum einen sind die beiden östlichen Nachbarn noch weit entfernt von jeder EU-Reife, zum anderen muss es zunächst eine Einigung – in welcher Form auch immer – in der Verfassungsfrage geben. (Gabriele Lesser aus Warschau, DER STANDARD, Printausgabe 22.3.2007)