Gänzlich unter Kontrolle hatte Russland den Informationsfluss über seine Beziehung zum Iran und dessen Atomprogramm zuletzt nicht. Die Informationswidersprüche spiegeln freilich nur wider, dass das kolportierte Nahverhältnis zum alten Verbündeten in der Tat längst nicht so ungetrübt ist. Mit Vorschlägen zur Beilegung des Atomkonflikts hat sich Moskau über Monate die Zähne ausgebissen. Und wiederholt erwies sich Moskaus Einfluss als beschränkt.

Link zu Anreicherung

Am Dienstag – noch rechtzeitig vor den Beratungen des UNO-Sicherheitsrates in New York über einen neuen Resolutionsentwurf gegen den Iran – hatte die New York Times berichtet, dass Russland dem Iran so lange keinen Brennstoff für das Atomkraftwerk Bushehr liefern will, bis das Land seine Urananreicherung ausgesetzt hat. Die Zeitung berief sich auf einen europäischen Beamten.

Russland wies den Zeitungsbericht zurück: Der russische Sicherheitsrat betonte, dass die Nachricht von einem russischen Ultimatum „nicht der Realität entspricht“. Und Russlands UNO-Botschafter Witali Tschurkin hielt fest, dass das Thema Bushehr und die internationale Diskussion über das umstrittene Atomprogramm nichts miteinander zu tun hätten. Sehen Beobachter einen ursächlichen, beharrt Russland also auf einem rein zeitlichen Zusammenhang zwischen der Sicherheitsratssitzung und der Tatsache, dass die Inbetriebnahme des von Russland um zirka eine Milliarde Dollar errichteten AKWs Bushehr plötzlich infrage steht. Vor einem Monat – wenige Stunden vor Ablauf des UN-Ultimatums an den Iran – hatte Moskau völlig überraschend konstatiert, dass die Lieferung russischen Brennstoffes nicht mit Ende März erfolgen, sondern auf unbestimmte Zeit verschoben werden könnte. Begründet wurde dies mit Zahlungsproblemen seitens des Iran.

„Unzuverlässig“

Nach iranischer Lesart ist natürlich Russland für die Bauverzögerung verantwortlich. Am Dienstag wurde Russland im iranischen Fernsehen als „unzuverlässig“ diskreditiert. Russland habe sich dem Druck der USA gebeugt. Moskau nämlich hatte letzte Woche begonnen, seine Experten aus Bushehr abgezogen. Der Sprecher der russischen Atomenergiebehörde, Sergej Nowikow, begründete dies abermals mit ausstehenden Lohnzahlungen seitens des Iran. Russische Zeitungen blieben gestern jedenfalls bei der Version der New York Times, dass Russland tatsächlich ein Ultimatum ausgesprochen haben dürfte, und zwar letzte Woche, als der russische Sicherheitsratschef Igor Iwanow Irans Vizeunterhändler in Atomfragen, Ali Hosejni-Tash, empfangen hatte.

Russlands Gratwanderung besteht darin, die lukrative Nuklearzusammenarbeit mit dem Iran nicht zu gefährden, den Iran aber gleichzeitig zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebhörde (IAEA) und zu einer Suspendierung der Anreicherungsaktivitäten zu drängen.

Mäßigung gefordert

Dem UNO-Sicherheitsrat schlug Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch dennoch weiterhin eine gemäßigte Gangart vor: Die internationale Gemeinschaft habe vereinbart, stufenweise und in angemessenen Schritten vorzugehen. Übertriebene Strafmaßnahmen werde man nicht unterstützen, stattdessen die von Südafrika geforderten Abschwächungen „konstruktiv behandeln“. (Eduard Steiner aus Moskau, DER STANDARD, Printausgabe 22.3.2007)