Die Fronten in der um das Sexualstrafrecht ausgebrochenen Debatte sind unübersichtlich. Die ÖVP attackiert ihre Koalitionspartnerin SPÖ mit Unterstützung des BZÖ, die Richter wehren sich gegen jede Einmischung in ihren Beruf und die Justizministerin hält sich betont zurück - Michael Möseneder

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Wien - Wenige Themen eignen sich in der Politik so gut, um die Rolle der eigenen Partei als Hüterin von Law & Order zu unterstreichen wie Sexualdelikte mit Kindern als Opfer. Genauer, der Bestrafung derjenigen, die diese Taten begangen haben. Im Nationalrat versuchen nun zwei Parteien, diese Hüterinnenrolle für sich zu reklamieren: die ÖVP und das BZÖ. Beide erhöhen den Druck auf SP-Justizministerin Maria Berger, härter gegen Sexualstraftäter vorzugehen.

BZÖ-Obmann Peter Westenthaler will bei der von seinem Bündnis beantragten Sondersitzung des Nationalrates "scharfe Untergrenzen" und Höchststrafen bis hin zu lebenslanger Haft fordern, kündigte der Politiker am Mittwoch in einer Pressekonferenz an. Erklärtes Ziel auch mittels einer im Internet zu veröffentlichenden Straftäterdatei: Eine "Stigmatisierung" und "lebenslange Unannehmlichkeiten" für Triebtäter.

Bei der Regierungspartei ÖVP pocht man zumindest auf (höhere) Mindeststrafen. VP-Justizsprecherin Maria Fekter richtete Justizministerin Berger im Ö1-"Morgenjournal" aus, sie werde eine Anfrage bezüglich Anhebung und Einführung dieser Untergrenzen stellen. Denn aus Fekters Sicht würden Österreichs Richter teilweise zu milde Urteile fällen. Zusätzlich wünscht sich Fekter Daten über die Rückfallquoten von Sexualstraftätern und die Zahl der bedingten Entlassungen.

Erst evaluieren

Ministerin Berger selbst gibt sich in der Sache ausweichend, auch ihr Pressesprecher Thomas Geiblinger verweist im Gespräch mit dem Standard vordringlich auf die Nationalratssitzung am Donnerstag. Seine Chefin habe angekündigt, die Verhältnismäßigkeit der Strafrahmen von Vermögensdelikten und solchen gegen Leib und Leben untersuchen zu lassen - mit der "Tendenz, nicht die Strafen für Vermögensdelikte zu senken". Gerade im Sexualstrafrecht habe es in den vergangenen Jahren aber ohnehin eine Vielzahl von neuen Gesetzen und höherer Strafandrohung gegeben. Deren Auswirkungen könne man nach so kurzer Zeit noch gar nicht beurteilen.

Milderungsgründe

Um so harscher urteilen die Richter über die politischen Vorgänge. Für Barbara Helige, Präsidentin der Richtervereinigung, ist der Vorstoß der ÖVP nach höheren Strafen eine "populistische Auseinandersetzung" mit der Thematik. Schließlich hätten sich die Richter beim Strafausmaß an die Gesetze zu halten und auch Milderungsgründe zu berücksichtigen - etwa ein "reuiges Geständnis": "Ich kann nicht bei einem unbescholtenen Bürger die Höchststrafe verhängen, nur weil das Delikt so abscheulich ist."

Hohe Rückfallsquote

Erst im vergangenen Mai hatten Experten bei einem Symposion des Institutes für Gewaltforschung und Prävention (IGF) davor gewarnt, in längeren Haftstrafen ein probates Mittel gegen hohe Rückfallquoten speziell psychisch kranker Täter zu sehen. Generell würden 60 bis 70 Prozent aller Häftlinge nach der Entlassung wieder vor den Richter kommen - erhalten sie allerdings hinter Gittern entsprechende Betreuung, würde zumindest bei Gewalttätern die Rückfallhäufigkeit halbiert, wie Studien zeigen. (DER STANDARD Printausgabe 22.3.2007)