Sofia - Die fünf in Libyen inhaftierten und zum Tod verurteilten bulgarischen Krankenschwestern sollen EU-Abgeordnete werden. Dies hat eine Bürgerinitiative in der bulgarischen Stadt Warna anlässlich der bulgarischen Europawahl am 20. Mai vorgeschlagen. Durch die Abgeordnetenimmunität wären die fünf Bulgarinnen vor Strafverfolgung geschützt und müssten freigelassen werden, argumentieren die Initiatoren.

Ungewisses Schicksal

Das Schicksal der Krankenschwestern hält die bulgarische Gesellschaft schon seit Monaten in Atem und hat eine Welle der Solidarität in dem neuen EU-Land ausgelöst. Daher dürften die Chancen der fünf Krankenschwestern, einen der 18 bulgarischen Sitze im Europaparlament zu erringen, nicht so schlecht stehen.

Ausgerechnet eine jüngst vom bulgarischen Parlament beschlossene und gegen "Wahl-Tourismus" aus der Türkei gerichtete Gesetzesänderung könnte die Kandidatur der Krankenschwestern bei der Europawahl aber verhindern. Der stellvertretende Vorsitzende der Wahlkommission (ZIK), Bisser Trojanow, wies nämlich gegenüber der Nachrichtenagentur "Focus" darauf hin, dass das passive und aktive Wahlrecht durch die Gesetzesnovelle an den Wohnsitz geknüpft wurde. Da sich die Krankenschwestern seit acht Jahren in Libyen aufhielten, erfüllen sie dieses Kriterium nicht.

Wahlrecht

Um bei der bulgarischen Europawahl die Stimme abgeben zu können, muss man sich mindestens 60 Tage vor dem Wahltermin in Bulgarien oder einem anderen EU-Staat aufgehalten haben. Damit wird den tausenden bulgarisch-türkischen Doppelstaatsbürgern, die in der Türkei wohnen und nur zur Stimmabgabe nach Bulgarien gereist waren, das Wahlrecht entzogen.

Auch politisch kann die Initiative auf wenig Unterstützung zählen. Einer der Verteidiger der Inhaftierten, Hari Haralambiew, bezeichnete den Vorschlag als "an den Haaren herbeigezogene Konstruktion". Auch einer der größten Fürsprecher der in libyscher Haft sitzenden Bulgarinnen, der Sofioter Bürgermeister Bojko Borissow, verzichtete darauf, eine von ihnen auf die Kandidatenliste seiner neuen Partei GERB für die Europawahl aufzunehmen. Der frühere Premier Iwan Kostow nannte die Initiative seltsam und populistisch und bezweifelte, dass die Frauen als EU-Abgeordnete geeignet wären.

426 Kinder mit Hi-Virus angesteckt

In Bulgarien hat es schon mehrere Versuche gegeben, über den Wahlzettel dem Zugriff der Justiz zu entgehen. Der frühere Bürgermeister von Sofia, Stefan Sofianski (1995-2005), erreichte mit seiner Immunität die Einstellung von vier Gerichtsverfahren gegen ihn, der Bürgermeister der Kleinstadt Welingrad, Fidel Beew, entkam zwei Gerichtsverfahren.

Die libysche Justiz wirft den fünf Bulgarinnen vor, 426 Kinder in einem Krankenhaus in Benghasi durch Blutkonserven absichtlich mit dem Aidserreger HIV infiziert zu haben. Dafür wurden die Frauen im Jahr 2004 zum Tode verurteilt, im Dezember 2006 wurde der Schuldspruch von einem Berufungsgericht bestätigt. Auf starken internationalen Druck, auch der Europäischen Union, wurde das Urteil bisher nicht vollstreckt. Die Bulgarinnen behaupten, in der Haft gefoltert worden zu sein. (APA)