Herr Lichtmann (Bernhard Muik) zündet für Frau Lichtmann (Rosie Belic) rosa Lichter an.

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Graz - Der Kitsch kennt zwei Frauentypen: Den blonden Engel und den Vamp. Beide kamen bei der Uraufführung von Robert Wolfs neuem Stück Wach auf, mein Engel am Mittwoch im "nice little theatre" in Graz zum Einsatz. Der Vamp in Gestalt einer toughen Managerin, die dem biederen, weinseligen "Lichtfachmann" Florian Lichtmann für dessen Häuschen 400.000 Euro bietet. Eine Heilquelle sei unter dem Haus, an die wolle man ran. Für Lichtmann kommt das Angebot wie gerufen, er steht vor der Pleite und unterschreibt sofort. Jedoch: Lichtmanns Frau Karin, der blonde Engel, Miteigentümerin des Hauses, will den Vertrag nicht unterzeichnen.

Wach auf, mein Engel ist Wolfs zehntes Stück. 1997 wurde der Dramatiker von Suhrkamp unter Vertrag genommen. Es folgten Achtungserfolge wie Kopfäktschn 2000 am Volkstheater. Doch der Durchbruch blieb dem Grazer Verlagskollegen von Beckett und Bernhard versagt.

"Nur wenn es Krieg gibt, ist die Welt in Ordnung"

Dabei hat Wolf einen Riecher für Effekte, er entwirft präzise Dialoge, mit denen sich Figuren malträtieren, und er kann die kleinsten Konflikte symbolisch so überhöhen, dass am Ende eine unlösbare absurde Gleichung steht.

Doch der Knaller blieb auch diesmal aus. Karin Lichtmann ist ein echter Engel, auf die Erde gesandt, um das Weltgleichgewicht zu erhalten. "Nur wenn es Krieg gibt, ist die Welt in Ordnung. Anders geht's auf die Dauer nicht mit uns Menschen". Eine Friedenstour von jungen Israelis und Palästinensern geistert durch die Nachrichten und bringt das Gleichgewicht in Gefahr. Am Ende schnallt sich der blonde Engel den Dynamitgürtel um, unterzeichnet den Verkaufsvertrag und verschwindet. Licht aus - großes Rätselraten, was Palästina denn nun mit der Ehe der Lichtmanns zu tun haben soll.

Boulevardeske Performance

Vielleicht nur ein Gleichnis über das Risiko von allzu viel Frieden in einer biederen Ehe, die so den letzten Rest Leben aushaucht. Zu dieser hausbackenen Lesart passt auch die boulevardeske Performance: Nikolaus Lechthaler setzte eher im Bühnenbild als in der Regie die subtilen Schrägheiten des Textes um. Rosie Belic gab in einer Doppelrolle den Vamp überkandidelt und den Engel nur leicht überzeichnet, und Bernhard Muik siedelte Göttergatten Lichtmann bei Mr. Bean an. Alles zusammen ganz lustig. (Werner Schandor/DER STANDARD, Printausgabe, 23.3.2007)