Salzburg - Als eine "Begegnung von Tradition und Moderne" kündigte die Stiftung Mozarteum ihre "Dialoge" an. Das könnte man als etwas allzu optimistisch von der Hand weisen. Was jedoch im Mozarteum klingend, raunend und gestikulierend anberaumt war und in teils sensationellen Interpretationen geboten wurde, diente der Bestätigung des Konzepts. Zu danken war dieses auf Kontraste und Verbindungslinien justierte Programm dem Komponisten und wendigen Klavierspieler Helmut Lachenmann.

Auch dem Hagen Quartett, das Beethovens Harfenquartett (op. 74) als zeitloses Rigorosum auseinandernahm und im selben Moment als Ganzheit wirken ließ. Anton Weberns mikroskopisch-bewegte Bagatellen (op. 9) bildeten die erste Spannungsvorgabe für eine Konzertserie, die im Folgenden Werke von Bach und Mozart einer Fülle von Heutigkeiten gegenüberstellte:

Bekanntes von Lachenmann und Nono (wie etwa dessen, vom Arditti Quartett schier bestürzend in Grenzbereichen ausgekundschaftete, "Fragmente - Stille an Diotima"), aber auch Unerhörtes wie Nonos "Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz" für Tonband (1965) oder Lachenmanns "Salut für Caudwell", eine Musik für zwei Gitarristen mit gestischer Duplizierung der Klänge in einer Choreografie von Xavier le Roy.

Kein pflegeleichter Geselle

Die Termine zeigten einmal mehr, wie sehr es bei der Bekanntgabe des Vertrauten und des Ungewohnten auf Intensität, handwerkliche Verlässlichkeit und auf die integre Persönlichkeit ankommt. Hier durfte man Werkverfügungen als Brennstoff für jene Energiezellen im Hörer begrüßen, die für lodernde Aufmerksamkeit verantwortlich sind.

Freilich - und glücklicherweise - ist das Zeitgenössische ein dehnbarer Begriff. Denn Bachs "Goldberg-Variationen" bewegen sich, zumal vom Pianisten András Schiff brillant, variantenreich, ja lebensfroh "erzählt", durchaus nicht im wechselnden Tempo unvergänglicher Nachhut im Windschatten jetziger Avantgarde.

Helmut Lachenmann ist als Autor kein pflegeleichter Geselle, eher ein Mann der verschärften Aufgabenstellung. Doch es gelingt ihm, in seine Welt zu locken. Etwa mit seinem verwegen klangeigensinnig erdachten Dritten Streichquartett ("Grido"), leicht fassbarer noch mit seinen sieben "Kinderspiel" Klavierstücken.

Ästhetische Nabelschnuren

Wie kundig sich dieser Vertreter "einer Musik als existenzieller Erfahrung" für ästhetische Nabelschnuren stark macht, zeigte sein "Accanto" für Solo-Klarinette und Orchester. Parallel zur Liveaktion (mit Ernesto Molinari und der Camerata Salzburg unter Peter Hirsch) läuft per Band Mozarts Klarinettenkonzert, mischt sich als Gestriges unter die Inventionen des Neueren, stiftet Versöhnung und Anklang.

Den "Dialogen" wünscht man natürlich alles Gute in Form von Langlebigkeit! (Peter Cossé/DER STANDARD, Printausgabe, 23.3.2007)