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Hickersberger: "Uns sind zu einfache Fehler unterlaufen."

Foto: APA/ Artinger
Stegersbach - Mit einem lachenden und einem weinenden Auge hat der österreichische Fußball-Teamchef Josef Hickersberger nach dem 1:1 im EM-Testspiel am Samstag in Graz gegen Ghana Bilanz gezogen. Zwar erreichte die ÖFB-Auswahl gegen den WM-Achtelfinalisten des Vorjahres einen Achtungserfolg, allerdings hätte für Ivanschitz und Co. auch ein Sieg herausschauen können.

"Respektables Ergebnis"

"Wir haben ein respektables Ergebnis erzielt, und das gegen einen WM-Teilnehmer, der in Deutschland zwei Gruppenspiele gewonnen hat. Das ist etwas, was uns bei der EURO erst gelingen muss", erklärte Hickersberger. Mit der Leistung seiner Schützlinge war der 58-Jährige im Großen und Ganzen zufrieden, allerdings gab es auch einiges zu bemängeln. "Wir haben zwar mit großem Herz, aber leider nicht mit kühlem Kopf gespielt. Uns sind zu einfache Fehler unterlaufen."

Der Teamchef trauerte der Chance nach, die Partie früher zu entscheiden, denn nach dem 1:0 durch Aufhauser wurden einige Möglichkeiten ausgelassen. "Vom Spielverlauf her hätten wir gewinnen müssen. Wir hätten das 2:0 machen müssen, das wäre gerade gegen ein afrikanisches Team der Schlüssel zum Sieg gewesen, weil Ghana dann noch mehr aufgemacht hätte." Die Chancenauswertung sei zwar mangelhaft gewesen, dafür lobte "Hicke" aber das taktische Verhalten seiner Mannschaft. "Da haben wir ungefähr das gemacht, was wir uns vorgestellt haben."

Meinungsverschiedenheiten

Die Forderung von Rene Aufhauser, die Abwehrreihe um 10 bis 15 Meter nach vorne zu verlagern, relativierte Hickersberger. "Italien hat bei der WM auch sehr tief verteidigt und ist Weltmeister geworden. Wenn man 1:0 führt, ist es normal, dass man tief verteidigt. Die Frage der Verteidigungslinie hängt immer davon ab, wie schnell die gegnerischen Stürmer sind und ob man in Laufduellen mithalten kann."

Hickersberger haderte nach wie vor mit der Leistung des belgischen Schiedsrichters Johan Verbist, der beim Ausgleich der Ghanaer in der 87. Minute einen Schubser des Torschützen Muntari gegen Martin Hiden nicht geahndet hatte. "Es war ein professionelles, wunderbares Foul eines Spielers, der in der italienischen Serie A sehr viel gelernt hat", meinte der Coach zur Aktion des Udinese-Spielers.

Hicke auf der Tribüne

Nach dem Match versöhnte sich Hickersberger, der wegen seiner heftigen Proteste auf die Tribüne verbannt worden war ("Ich habe mich nicht beherrschen können, das war mein Fehler"), zwar mit dem Referee, an seiner grundsätzlichen Einstellung gegenüber den "schwarzen Männern" hat sich aber nichts geändert. "Solche Entscheidungen - Foul oder nicht Foul - kostet Trainer ihren Job. Bei mir ist das schon egal, aber es gibt auch Jüngere."

Besonders ärgerte den Teamchef auch die Entscheidung von Verbist, Martin Stranzl für eine Aktion die Gelbe Karte zu zeigen, bei der sich der Spartak-Moskau-Legionär eine blutende Wunde und eine Prellung des linken Knies zuzog. Dennoch wird der Burgenländer die Reise zum Auswärtsspiel nach Frankreich antreten. "Er wird mitfahren, weil ein Einsatz zum jetzigen Zeitpunkt möglich scheint."

Stranzl wurde in der Nacht auf Samstag Vater eines Buben, und wenn der Verteidiger aus diesem Grund auch zu wenig Schlaf kam, so stand für Hickersberger nie zur Diskussion, auf den 26-Jährigen zu verzichten. "Ich habe nicht eine Sekunde überlegt, ihn nicht aufzustellen", betonte der Teamchef.

Die Stürmerfrage

Etwas mehr Kopfzerbrechen bereitet "Hicke" die Aufstellung für das Spiel im Stade de France, wo er voraussichtlich mit nur einer echten Spitze beginnen wird. Die Anwärter auf diese Position heißen Roland Linz, Mario Haas und Sanel Kuljic. "Linz hat sich in der zweiten Hälfte viel besser bewegt als in der ersten. Schade, dass er seine Chance auf das 2:0 nicht genützt hat, in neun von zehn Fällen macht er da das Tor."

Bei der Beurteilung der Leistung von Kuljic wies Hickersberger auf dessen unklare Vertragssituation nach dessen Austritt beim FC Sion hin. "Kuljic hat viel in der Defensive gearbeitet. Er war nicht fehlerlos, aber das habe ich auch nicht erwartet, denn die Vertragsauflösung bedeutet nicht nur mangelnde Spielpraxis, sondern ist auch ein psychisches Problem. Kuljic hat noch nicht ausgesorgt."

Haas hätte noch seiner Einwechslung beim Stand von 1:0 die leichteste Aufgabe gehabt, "weil zu diesem Zeitpunkt viele Räume vorhanden waren. Das wäre sein Spiel gewesen." Gänzlich unzufrieden war der Teamchef mit dem Sturm-Angreifer aber nicht. "Er hat das gebracht, was ich schon in den Meisterschaftsspielen von ihm gesehen habe, aber da ist schon noch was drin."

Gespräch mit Ivanschitz

Mit Kapitän Andreas Ivanschitz führte Hickersberger im Training am Sonntagvormittag ein "ernstes Gespräch", auch wegen dessen Ärger bei seiner Auswechslung. "Der Fall ist erledigt. Es war kein Austausch auf Grund einer schwachen Leistung, sondern auf Grund des Spielstandes", erklärte der Niederösterreicher, ergänzte aber auch: "Er hat als Kapitän Vorbildwirkung."

Lobende Worte fand der Teamchef für Thomas Prager und Christoph Leitgeb. "Leitgeb verfügt über die Qualität, sich in Eins-zu-Eins-Situationen durchzusetzen. An Prager hat mir imponiert, dass ihm am Anfang viele Fehler unterlaufen sind, er sich dann aber gefangen hat. In der zweiten Hälfte war er wieder der Prager, wie man sich ihn vorstellt", sagte der Trainer, in dessen Mannschaft nach eigenen Angaben "ein, zwei Rohdiamanten" stehen.

Hickersberger wagte auch schon einen Blick aufs Frankreich-Match. "Wenn man die Chance hat, gegen einen Vizeweltmeister zu spielen, muss man diese Gelegenheit zu jeder Tages- und Nacht-Zeit annehmen. Das sind Spiele, von denen man viel lernen kann." Bei der "Equipe Tricolore" erwartet der Nationalcoach im Vergleich zur Litauen-Partie am Samstag einige Umstellungen. "Domenech wird viele junge, hungrige Spieler aufstellen, das macht unsere Aufgabe nicht leichter." (APA)